Strophe

Strophe. (Dichtkunst) Ursprünglich bedeutete das Wort in den lyrischen Gedichten der Griechen eine Folge von Versen, die von einem Chor in einem Zug oder Marsch gesungen wurde; weil das Singen mit einem feierlichen Umzug oder Gang des singenden Chores verbunden worden. Wann der Chor sich in seinem Zug wendete; so fing eine zweite Folge von Versen an, deren Anzahl und metrische Einrichtung eben so war, wie in der ersten; also musste der Chor eben so viel Schritte tun um die zweite Strophe zu singen als sie zur ersten nötig hatte. Diese zweite Folge wurde Antistrophe genannt. Wann der Chor hierauf stillstehend noch etliche Verse sang, so wurden diese zusammen Epodos genannt und waren in der metrischen Einrichtung von Strophe und Antistrophe verschieden. Wann mit diesen drei Sätzen das Lied noch nicht geendigt war; so wurden in der Folge die Verse genau nach dem Silbenmaß und dem Metrum der vorhergehenden Sätze wiederholt. Dieses kann man in den strophischen Chören der griechischen Tragödien und in den Oden des Pindars sehen.

Jetzt gibt man den Namen der Strophe in unseren Oden und Liedern einer Periode von etlichen Versen, die allen folgenden Perioden in Ansehung des Silbenmaßes und der Versart zur Lehre dient. Nämlich drei, vier oder mehr Verse, womit das Gedicht anfängt, dienen durch das ganze Lied in Absicht auf das Silbenmaß und die Länge der Verse dergestalt zur Lehre, dass danach die Folge des Gedichts in jedem Abschnitt von drei, vier oder mehr Versen, genau so sein muss, wie in den ersten. Folgende vier Verse:

 

Freund! die Tugend ist kein leerer Name

Aus dem Herzen keimt der Tugend Saame,

Und ein Gott ists, der der Berge Spitzen

Röthet mit Blitzen.

 

machen eine Strophe der sapphischen Versart aus; so lange das Lied dauert, machen immer vier folgende Verse eine Strophe, die in Absicht des Silbenmaßes und der Länge der Verse genau so ist, wie diese.

 Es gibt einfache und Doppelstrophen. Die einfachen, machen, wie die so eben angeführte, nur eine einzige Periode aus, die am Ende einen Hauptruhepunkt hat. Die Doppelstrophe besteht aus mehr Versen, die zwei rhythmische Hauptabschnitte ausmachen, wie folgende:

 

Welche Fluren! Welche Tänze!

Welche schön geflochtne Kränze!

Welch ein sanftes Purpurlicht!

Sanfter war die Morgenröthe

Die des Waldes Grün erhöhte

Mir im schönsten Lenze nicht!*)

 

Obgleich die zweite Hälfte genau dieselbe metrische Beschaffenheit hat als die erste; so empfindet man doch, dass der Ton sich etwas abändert.

Bisweilen aber hat der andere Teil der Strophe ganz andere Verse und dann unterscheiden sich die beiden Abschnitte noch merklicher, wie hier:

 

Hier auf diesem Aschenkruge,

Weint die Freundschaft ihren Schmerz,

Und mit diamantnen Pfluge

Zieht der Kummer Furchen in mein Herz.

Finsternis und Stille!

Unter eurer Hülle,

Lad' ich Erd' und Himmel zum Gehör.

Klagen will ich: Ach, mein Liebling

Ist nicht mehr.**)

 

Diese Doppelstrophen gleichen den Tanzmelodien, die allgemein ebenfalls aus zwei Teilen bestehen, die sich im Ton unterscheiden. Bisweilen unterscheidet sich die zweite Hälfte der Doppelstrophe von der ersten auch durch das Silbenmaß.

Die Doppelstrophen geben den Liedern große Annehmlichkeit, wegen der Veränderung des Tones, besonders wenn im zweiten Teil auch der Rhythmus sich ändert, wie in der so eben angeführten Strophe. Die eigentliche Ode scheint die Doppelstrophe weniger zu vertragen.

 

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*) Jacobi.

**) Die Karschinn.


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