Solmisation

Solmisation. (Musik) Unter dieser Benennung versteht man die Methode, nach den sechs Aretinischen Silben ut re mi fa sol la zu solfeggiren.

Guido von Arezzo ein eifriger Reformator der Musik seiner Zeit, führte im Anfang des eilften Jahrhunderts ein System von zwei und zwanzig diatonischen Tönen, nämlich von unserem großen G angerechnet bis ins zweigestrichene unter denen doch unser b schon mitbegriffen war, ein und teilte es in sieben Hexachorde oder Leitern von sechs auf einander folgenden Tönen ab; drei davon enthielten die Töne gahcde, zwei die Töne cdefga und zwei die Töne fgabcd nach ihren verschiedenen Oktaven, denen er die erwähnten sechs Silben, die die Anfangssilben der ersten sechs Zeilen eines damals gebräuchlichen Hymnus an den heiligen Johannes sind, unterlegte, so dass mi fa allezeit unter dem halben Ton, der sich in jedem dieser Hexachorde von der dritten zur vierten Stufe befindet, zu stehen kam. Die drei Hexachorde von g bis e wurden in der Folge das harte, die zwei von c bis a das natürliche und die zwei von f bis d das weiche Hexachord genannt. So lange keines dieser Hexachorde in der Melodie überschritten wurde, behielt jeder Ton seine ihm eigne Silbe in der Solmisation: stieg oder fiel der Gesang aber über oder unter dem Umfang einer dieser Sexten oder welches einerlei ist, ging die Melodie in ein anderes Hexachord über, so mussten die Silben mutirt werden, damit das mi fa wieder an seinen Ort zu stehen käme. Daher entstanden Regeln, wie die Mutation der Silben bei den Übergängen der Hexachorde geschehen müsse. Dem ohngeachtet konnten bei der Mannichfaltigkeit der Fortschreitungen des Gesangs, die Silben mi fa nicht allezeit bei einer kleinen Sekundenfortschreitung ohne den Schüler zu verwirren, möglich gemacht werden; man bewilligte daher unter gewissen Einschränkungen noch die Silben la fa zu der Fortschreitung in einen halben Ton. Durch diese Benennungen wurden dem Schüler, wenn er erst die Regeln der Mutation inne hatte, so wohl die Schwierigkeit, die halben Töne in den alten Tonarten zu treffen als auch überhaupt alle Intervallen, in sofern sie in jedem Hexachord nach denselben Silben gesungen wurden, erleichtert.

Als aber nach der Zeit durch die Einführung des chromatischen und enharmonischen zu dem diatonischen Geschlecht das System der Musik um vieles erweitert und die alten diatonischen Tonarten um einen oder mehrere Töne höher oder tiefer transponirt werden konnten, wurden dadurch, dass die Silben mit allen Mutationen mit jeder transponirten Tonart zugleich transponiert werden mussten, die Schwierigkeiten der Solmisation so sehr vergrößert und die Notwendigkeit der Oktavengattungen so offenbar, dass ohngeachtet der eifrigen Solmisationsverfechter dennoch der meiste Teil der Tonkünstler davon abging und entweder wie die Franzosen den sechs Silben noch die siebente zusetzten oder wie die Holländer sieben neue Silben erfanden oder wie die Deutschen bei der natürlichen Benennung der Töne stehen blieben und danach ohne Mutation solfeggierten.

Die Solmisation hat sich noch in Italien und in einigen Gegenden Deutschlands erhalten, aber, wie man leicht denken kann, mit vielen Abänderungen. Selbst Buttstett, der ein eifriger Verfechter derselben war und es dem Mattheson gar nicht vergessen konnte, dass er die ganze Solmisation, mit der man doch einst im Himmel musizieren werde, zu Grabe gebracht*), muss doch in seiner Verteididigung derselben**) zugeben, dass bei den chromatischen Tönen cis, dis, fis, gis in C dur die Stimme erhoben werden müsse, weil sie keine eigene Benennung haben; auch erlaubt er statt fa, ni zu singen, wenn vor f ein steht<S>4</S>. Er hat aber vollkommen Recht, wenn er behauptet, dass die Solmisation die leichteste Methode sei, den Singschülern Stücke und Choräle aus den alten Tonarten wo die chromatischen Töne nicht vorkommen, treffen zu lernen. In Fugen hat die Solmisation auch den Nutzen, dass sie lehrt, wie der Gefährte dem Führer durch die Anbringung des Mi fa zu antworten hat, doch nur in der Ionischen Tonart; in den anderen Tonarten bestimmt das mi fa die Antwort nicht allezeit, wie an einem anderen Ort gezeigt worden [s. Fuge].

 

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*)  S. dessen neueröffnetes Orchestre, 2. Th.

**)  Unter dem Titel: Ut, re, mi, fa, sol, la, tota Musica & Harmonia æterna.


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