Stumme Spiel. Der Teil der Vorstellung des Schauspiels, der ohne Reden geschieht. Man wagt es noch selten einen etwas beträchtlichen Teil der Handlung auf der Bühne stillschweigend fortgehen zu lassen; daher das stumme Spiel nach der jetzigen Beschaffenheit der Bühne, vornehmlich bei den Personen statt hat, welche währender Zeit, da andere sprechen, entweder als Zuhörer oder in anderen Beschäftigungen auf der Bühne sind. Die Furcht vor dem Stillschweigen hat indessen gar oft bei Dichtern sehr schwache frostige Szenen veranlasst. Es trifft sich bisweilen, dass die Leidenschaften auf das höchste gestiegen sind oder dass sich ein unvermuteter, aber höchst merkwürdiger Zufall ereignet, da das Stillschweigen sehr natürlich wird. Dieses zu verhindern, lässt der Dichter bisweilen Nebenpersonen reden, aber so schwach und so frostig, dass ein ganzer Auftritt dadurch verdorben wird.
In wichtigen Auftritten geschieht es ganz natürlich, dass die Hauptpersonen in einem etwas langen und wichtigen Stillschweigen sind. Läßt man dann Nebenpersonen reden, so wird unsere Aufmerksamkeit von dem abgezogen, worauf sie allein sollte gerichtet sein. Daher scheint es schlechterdings notwendig, dass bisweilen ganze Auftritte oder doch Teile derselben stumm seien.
Es sei aber, dass ein Auftritt ganz oder nur zum Teil stum ist, so ist allemal das stumme Spiel ein sehr wichtiger Teil der Kunst des Schauspielers. Denn es kommt gar oft vor, dass wenigstens ein Teil der vorhandenen Personen eine Zeitlang entweder bloß zuhören oder sonst keinen Anteil an der Unterredung haben. Dann kann ihr stummes Spiel viel verderben oder gut machen. Es spricht entweder gar keiner oder nur einer, und alle andere hören zu oder es unterreden sich zwei und andere hören zu oder es sind Personen da, die weder reden noch zuhören, sondern für sich in Gedanken beschäftigt sind. Dies sind die vier Fälle des stummen Spiels.
In den drei ersten Fällen, muss schlechterdings alles auf den Inhalt der Rede übereinstimmen. Die, welche nicht reden, müssen den Redenden zuhören und an ihren Stellungen, Minen, Gebärden und Bewegungen, muss man den verschiedenen Eindruck der Rede sehen. Das stumme Spiel muss einige Ähnlichkeit mit der Begleitung der Instrumente beim Gesang haben. Vor allen Dingen müssen die Schauspieler sich dafür in Acht nehmen, dass ihr Spiel die Aufmerksamkeit auf die Hauptpersonen, welche jetzt reden, nicht schwäche. Deswegen muss jede Mine, jede Stellung und Gebärde gemäßigt sein, dass sie nicht hervorsteche. Stumme Personen müssen sich immer erinnern, dass sie jetzt den Redenden untergeordnet sind. Es darf kaum gesagt werden, dass das stumme Spiel nichts gegen den Geist des Auftritts enthalten müsse, denn dieses ist jedem offenbar. Aber dieses muss den Schauspielern auf das nachdrücklichste empfohlen werden, dass sie nichts gezwungenes und nichts künstliches machen. Weit besser wär' es, wenn sie gar nichts machten und unbeweglich zuhörten. Nichts ist unerträglicher und der Täuschung, die beim Schauspiel so sehr notwendig ist, mehr entgegen als wenn man Zwang und Kunst sehen lässt. Der Zuschauer muss gar nicht gewahr werden, dass der Schauspieler auf sich selbst Achtung gibt.
In den Auftritten, wo eine stumme Person für sich steht und keinen Anteil an der Handlung nimmt, die dann die Hauptsache des Auftritts ausmacht, wäre zu wünschen, dass der Schauspieler gänzlich vergäße, dass noch jemand außer ihm auf der Bühne stehe. Er muss völlig so handeln als wenn er ganz ohne Zeugen wäre. Aber vorher muss er genau nachdenken, wie weit sein Spiel den anderen Personen untergeordnet sei.