Die Völlerei war bei den Alten nicht so sehr verschrien
Es ist gewiß, dass das Altertum dieses Laster nicht sehr verschrien hat. Selbst die Schriften der mehresten Philosophen reden ganz gelinde davon: und gibt es welche, so gar unter den Stoikern die da raten, man solle sich manchmal die Freiheit nehmen, über die Maße zu trinken, und sich zu berauschen, um der Seele eine Erleichterung zu schaffen.
Hoc quoque virtutum quondam certamine magnum
Socratem palmam promeruisse ferunt. (a)
Der Sittenrichter Cato, der andere Leute bessern sollte, muß sich vorrücken lassen, dass er viel getrunken.
Narratur et prisci Catonis
Saepe mero caluisse virtus. (b)
Cyrus, der so berühmte König, führt unter andern lobenswürdigen Dingen, worinnen er sich seinen Bruder Artaxerxes zu übertreffen rühmt, von sich an (c), dass er besser trinken könne, als iener. Ja, selbst bei den ordentlichsten und gesittesten Völkern ist der Versuch, wer am meisten trincken könnte, stark im Gebrauche gewesen. Ich habe vom Silvius, einem vortreflichen Arzte in Paris, sagen hören, man müßte wenn man verhüten wollte, dass die Fibern unseres Magens nicht nach und nach schlaff würden, sie monatlich einmal durch diese Ausschweifung aufmuntern und reizen, damit sie nicht steif würden. So schreibt man auch, (d) dass sich die Perser nach dem Trunke über die wichtigsten Sachen beratschlagt hätten.
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(a) Man sagt, dass schon der große Sokrates selbst den Preis in diesem berühmten Kampfe davon getragen habe. Com. Gall. Eleg. 1. v. 47.
(b) Man sagt, dass des alten Cato Tugend oft vom Weine erhitzt worden. Horat. L. III. Od. 21. v. 11. 12.
(c) 'Oinon pleiona pinein kai Pherein. Plutarch im Leben des Artaxerxes.
(d) Herodot. L. 1. c. 133. und andere Schriftsteller.