Der Mensch hat seine natürliche Waffen - Sprache
Was die Waffen anbelangt: so haben wir deren mehrere von der Natur bekommen, als die meisten andern Tiere. Wir können unsere Gliedmassen verschiedentlicher bewegen, und brauchen dieselben von Natur und ohne Anweisung besser als sie. Man sieht dass diejenigen, die nackt zu kämpfen gewohnt sind, sich in eben so große Gefahr wagen, als andere. Wenn einige Tiere hierinnen einen Vorzug vor uns haben: so haben wir wiederum einen Vorzug vor vielen andern. So gar die Begierde unsern Leib stark zu machen, und durch fremde Hilfe zu bedecken, kommt von einem natürlichen Triebe und Gebote her. Der Elefant schleift seine Zähne, deren er sich im Kriege bedient: denn, er hat besondere Zähne hiezu, die er schont, und sonst zu nichts gebraucht. Die Stiere streuen und werfen, wenn sie an den Kampf gehen, Staub um sich herum. Die wilden Schweine schärfen ihr Gewehr. Der Ichneumon verwahrt seinen Körper, wenn er sich an das Krokodill machen will, und überzieht und umgibt ihn um und um mit einem festen und zähen Schlamm, wie mit einem Kürasse. Warum sollen wir nicht sagen können, dass es uns eben so natürlich sei, uns mit Holz oder mit Eisen zu bewaffnen? Wenn die Sprache natürlich ist, so ist sie doch gewiß nicht notwendig. Ich glaube indessen, dass ein Kind, wenn es auch in einer vollkommenen Einsamkeit, und von aller Gesellschaft entfernt, erzogen würde, (welches sich schwerlich möchte versuchen lassen) dennoch eine gewisse Art der Sprache haben würde, wodurch es seine Begriffe ausdrücken könnte. Es ist nicht glaublich, dass uns die Natur dasjenige Mittel sollte entzogen haben, welches sie den meisten andern Tieren gegeben hat. Denn, was ist das Vermögen sich zu beklagen, und sich lustig zu machen, einander zu Hilfe zu rufen, oder zur Liebe zu ermuntern, welches wir sie durch ihre Stimme verrichten sehen, anders, als eine Sprache? Wie sollten sie nicht mit einander selbst reden? Sie reden ja mit uns, und wir mit ihnen. Auf wie vielerlei Art reden wir nicht mit unsern Hunden, und auf wie vielerlei Art antworten sie uns nicht wieder? In einer andern Sprache, und mit andern Worten schwatzen wir mit ihnen, und wieder anders mit den Vögeln, den Schweinen, den Ochsen, den Pferden. Wir ändern unsere Mundart bei jeder Gattung.
Cosi per entro loro schiera bruna
S'ammusa l'una con l'altra formica,
Forse a spiar lor via, et lor fortuna. (a)
Mich dünkt, Laktanz (b) schreibt den Tieren nicht nur eine Sprache, sondern auch so gar ein Lachen zu. Eben der Unterschied der Sprache, der sich nach dem Unterschiede der Gegenden unter uns findet, findet sich auch unter den Tieren von einerlei Art. Artistoteles (c) führt hierbei an, dass die Feldhühner, nach der verschiedenen Lage der Örter, auch verschiedentlich schreien.
- - - variaeque volucres
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Longe alias alio iaciunt in tempore voces
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Et partim mutant cum tempestatibus vna
Raucisonos cantus. (d)
Allein, die Frage ist, welche Sprache ein Kind unter besagten Umständen reden würde: und dasjenige, was man davon mutmaßt, hat nicht viel Wahrscheinlichkeit.
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(a) So sieht man unter einem Haufen Ameisen, dass sich eine mit der andern bespricht, vielleicht in der Absicht, dass eine der andern Vorhaben und Glück wissen will. Dante nel Purgatorio Cant. XXVI. v. 34. u. f.
(b) Quum enim suas voces propriis inter se discernunt atque dignoscunt, colloqui videntur: ridendique ratio apparet in his aliqua &c. Instit. Diuin. L. III. C. 10. Diese sehr merkwürdige Stelle hat mir Herr Barbeyrac angezeigt.
(c) In seiner Historia Animalium L. IV. c. 9. gegen das Ende.
(d) Verschiedene Vögel haben zu manchen Zeiten ganz andere Stimmen, und sie verändern zum Teile ihren Gesang, nach dem die Witterung ist. Lucretius. L. V. v. 1077, 1080, 1082, 1083.