Briefe müssen unverzüglich gelesen werden


Zu unserer Väter Zeit hätte beinahe der Herr von Boutieres Turin verloren, weil er in einer guten Gesellschaft bei einer Abendmahlzeit war, und nicht gleich (a) eine Nachricht las, welche eine wider diese Stadt, in der er kommandierte, angestellte Verräterei betraf. Und eben der Plutarch hat mich gelehrt (b), dass sich Julius Cäsar gerettet haben würde, wenn er an eben dem Tage, da er von den Verschworenen ermordet wurde, ehe er in den Rat ging, eine ihm überreichte Schrift gelesen hätte. Er erzählt auch von dem Tyrannen zu Theben, Archias, dass (c) ihm noch den Abend vor der Ausführung des Unternehmens, welches Pelopidas ihn um zu bringen und sein Vaterland in Freiheit zu setzen gefaßt hatte, alles von Stück zu Stück durch einen andern Archias aus Athen sei geschrieben worden, was man wider ihn vorhätte; dass er aber, weil ihm dieses Pakt während der Abendmahlzeit gegeben worden, die Eröffnung desselben aufgeschoben, und die Worte gebraucht habe, die nachgehends in Griechenland zu einem Spruchworte wurden: Die Geschäfte bis morgen. Meiner Meinung nach kann ein weiser Mann andern zum besten, zum Exempel, um eine Gesellschaft nicht auf eine unanständige Weise zu trennen, so wie Rusticus tat, oder, um nicht eine andere wichtige Sache abzubrechen, das, was man ihm neues bringt, anzuhören verschieben. Aber, wer es um seines eigenen Nutzens oder Vergnügens willen tut, um nicht beim Mittagsmahle oder im Schlaf gestört zu werden, der verdient keine Entschuldigung, zumal, wenn er ein öffentliches Amt verwaltet.

 

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(a) Memoires de Guillaume du Bellay Liv. IX. fol. 451. 452.

(b) Im Leben des Julius Caesar c. 17.

(c) In libello de Genio Socratis.


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