324. Blume¹⁾. Blüte²⁾.
Blüten sind die Befruchtungsteile einer Pflanze, ehe die Samenbehältnisse anfangen zu reifen; Blumen sind die mannigfaltig gefärbten Blätter, welche die Befruchtungsteile umgeben und als dasjenige an der Pflanze angesehen werden, was ihr wegen ihrer bloßen Schönheit und ihres Wohlgeruches, ohne Rücksicht auf eine daraus entstehende Frucht, Wert gibt. Daher sind gefüllte Rosen und Nelken bloße Blumen; der Kirschbaum, der Apfelbaum usw. dagegen tragen Blüten. Die Bezeichnung Blume wird gewöhnlich auf die ganze Pflanze übertragen, und zwar auf eine solche Pflanze, deren Wert hauptsächlich in ihrer farbigen, oft wohlriechenden Blüte liegt. Wenn die Blumen verwelken, so hat eine solche Pflanze ihren vornehmsten Wert verloren; wenn die Blüten abfallen, so erwarten wir dagegen Früchte, die der Pflanze erst ihren eigentlichen Wert geben, oder der Baum gefällt uns wegen seines Schattens, seiner schönen Form, seiner erhabenen Größe. „Fehlt Bildung und Farbe doch auch der Blüte des Weinstocks.“ Goethe, Rom. Eleg. VIII. „Diese Saat | ward nicht gepflanzt, daß du mit kindscher Hand | die Blume brächest und zur leichten Zier | an deinen Busen stecktest.“ Schiller, Piccolomini III, 8. Das Blühen ist der erste lebende Trieb der Zeugungskraft der Pflanzen im Frühlinge, und dieses Gefühl der erneuten regen Lebenskraft, die nach der Erstarrung im Winter die Pflanzen durchdringt, gibt der Blütezeit eine so große Anmut. Diese Bedeutung ist auch uneigentlich sichtbar. Eine blühende Einbildungskraft ist eine solche, die frische lebhafte Bilder hervorbringt. Die Jugend ist die Blüte der Jahre und die Blütezeit des Lebens. Denn dieser Teil des Lebens ist der Anfang der Entwicklung des Menschen, wo sein Körper eine Zartheit und eine Kraft hat, die ihm Schönheit gibt und ihn zu künftiger Tüchtigkeit reifen läßt. Blumen sind hingegen in eigentlicher Bedeutung alles das, was durch bloße Schönheit gefällt. „Die Blumen der Gesundheit sprossen auf ihrem wonnigen Gesicht.“ Die Kindheit gleicht einer Blume; in ihrer zarten, aber kurzdauernden Schönheit ruht all ihr Wert. „Sie sieht im Frühlingshaine all ihre Freuden blühn! Es wallt im Rosenscheine ihr Blumenleben hin.“ Matthisson. „Schöne Rednerblumen.“ Schiller, Picc. III, 8.