Beginnender Konflikt mit der Reaktion in Preußen


Schon vor Friedrichs des Großen Tod bereitete sich eine geistige Reaktion in dem bis dahin so "aufgeklärten" Preußen vor. "Die Schwärmerei wandelt schon mit mächtigen Schritten heran", schreibt bereits am 15. Oktober 1783 der junge Plessing an unseren Philosophen. Jesuiten trieben unter allen möglichen Gestalten ihr Wesen, Geisterbanner und Goldmacher fanden Zulauf in den vornehmsten Berliner Kreisen; der Thronfolger in Potsdam trat in den Geheimorden der Rosenkreuzer ein. Gleichwohl trat in den ersten zwei Jahren nach dessen Thronbesteigung der erwartete Umschwung noch nicht ein. Kant insonderheit wurde, wie wir bereits gehört, bei dem ersten Besuch des neuen Königs in seiner Krönungsstadt von Friedrich Wilhelm II. und dessen erstem Minister Graf Hertzberg mit größter Hochachtung empfangen, erhielt sogar eine besondere persönliche Zulage und die Ernennung zum Mitglied der unter dem alten Fritz ganz französisierten Berliner Akademie. Auch sein Anhänger Jakob aus Halle konnte ihm im Juli 1787 von einer Reise nach Berlin berichten: "Se. Exe. der Minister von Zedlitz hat mich sehr lebhaft aufgemuntert, Ihre Gedanken in Halle bekannter zu machen, und der Graf von Hertzberg sprach mit großer Wärme von Ihnen." Und der alte Freund Berens schrieb am 5. Dezember desselben Jahres aus der preußischen Hauptstadt: "Noch herrscht hier ... dieselbe Denk- und Preßfreiheit." Ja, es sieht beinahe aus, als ob Kant, wie ein Menschenalter später Hegel, kgl. preußischer Hof- und Staatsphilosoph zu werden im Begriff gewesen wäre, wenn wir hören, dass Herbst 1788 der junge Kiesewetter im Auftrage des Staatsministeriums nach Königsberg entsandt wurde, ausdrücklich, um dort die kritische Philosophie an der Quelle zu studieren und später in Berliner Hof- und Beamtenkreisen zu lehren.


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