Testament und Erben


Kant hat zwei Testamente gemacht: das ältere, am 29. August 1791 beim Stadtgericht niedergelegte, dessen Inhalt uns nicht bekannt ist, wurde durch das spätere, am 26. Februar 1798 niedergeschriebene, am 28. dem akademischen Senat feierlich übergebene aufgehoben. Das eigentlich Charakteristische dieses "letzten Willens", dessen Einzelheiten man in der Akad. Ausgabe der Werke XII, S. 408—411 nachlesen kann, ist, dass das ziemlich bedeutende Vermögen von 42 930 Gulden, dazu das schuldenfreie Wohnhaus nebst Hof und Garten "auf dem Prinzessin-Platz", abgesehen von einigen gleich zu erwähnenden Legaten, nach gut bürgerlicher Sitte ganz an die ihm innerlich doch so wenig nahestehenden Blutsverwandten, die eine Hälfte an die Schwester und die Schwesterkinder, die andere an den Bruder und die Bruderkinder, fallen sollte. Auch die Legate waren nicht etwa wissenschaftlichen oder sonstigen allgemeinen Zwecken oder wohltätigen Stiftungen zugewandt, sondern nur der alte Diener Lampe mit einer Jahrespension von 400 Gulden und der Testaments-Vollstrecker (Gensichen, evtl. Pörschke) für seine Mühewaltung mit einer Summe von 1500 Gulden bedacht. Diese Grundsätze blieben auch für die folgenden Nachträge maßgebend. Ein erster vom 14. Dezember 1801 setzt Wasianski als "Curator funeris und executor testamenti" ein und vermacht ihm 2000 Taler, desgleichen der Köchin Louise Nitzschin 2000 Gulden. Ein zweiter vom 22. Feburar 1802 trifft die Änderung bezüglich Lampes (s. oben S. 323) und erhöht die Pension der Schwester. Zwei weitere kurze handschriftliche Erklärungen vom 3. Mai 1802 und vom 7. Februar 1803 bestimmen eine Summe für Lampes Nachfolger, die letzte vermacht Wasianski außer den bereits für ihn ausgesetzten 2000 Talern noch ein Zwanzigstel des Gesamtnachlasses.

Die notarielle Eröffnung des Testamentes erfolgte drei Tage nach dem Tode, am 15. Februar, die Auktion des hinterlassenen Mobüiars in den Tagen vom 12. bis 14. März, die endgültige, neuerdings bekannt gewordene,1) mit genauerem Inventar-Verzeichnis versehene Abrechnung des Justiz-Commissarius Radke am 17. September d. J. Das Vermögen, das teils bei dem Handlungshause Green und Motherby (zu 6%), teils als Hypothek auf das Rittergut Garbenimken, teils bei der Königsberger Zucker-Raffinerie, also ziemlich gleichmäßig in Handel, Landwirtschaft und Industrie angelegt war, hatte sich in den letzten sechs Jahren von 42 930 auf 52 987 Gulden vermehrt; dazu kam das Haus mit Garten, das weit über den Taxwert (5589 Gulden) dem Kaufmann J. Chr. Richter als Höchstbietenden für 10 110 Gulden zugeschlagen wurde. Freilich gingen beinahe 1200 Gulden auf die Begräbniskosten, von den 100 Stück Trauerbillets und den Douceurs an drei Bediente für ihr Herumtragen bis zu den Kosten für den doppelten Sarg mit seinen Wappen, Griffen, Tuchbeschlag, Quasten und Fransen, und von den "feinen Weinen", dem Kaffee und Konfekt zum Totenmahl bis zu der "Tonne Bier" und den Trinkgeldern, die den Kutschern und Bedienten am Tage des Begräbnisses gespendet wurden.

Erben waren, wenn wir von den Legatempfängern: Wasianski, Professor Gensichen (dem Erben der Bibliothek), den Dienern Lampe und Kaufmann und der Köchin Louise Nitzschin 2) absehen, neben der Schwester Barbara Theuerin, die außer ihrer Versorgung im St. Georgs-Hospital bis zu ihrem Tode eine Jahrespension von 300 Gulden empfing, einerseits die vier Schwesterkinder: die beiden Schuhmachermeister Johann Christian und Samuel Gottlieb Krönert, die Frau Schiffskapitän Maria Dorothea Geelhaar geb. Krönert, und die unverheiratete Luise Charlotte Krönert († 1807), sämtlich in Königsberg. Andererseits die vier Kinder des Bruders: die Frau Sekretär Amalie Charlotte Rickmann, die Frau Pastor Minna Charlotte Schoen, Herr Friedrich Wilhelm Kant und Frau Zoll-Inspektor Henrietta Stuard in Libau, sämtlich in Kurland wohnend. Jeder dieser acht Erben erhielt 5000 Gulden, so dass sie wohl aller etwaigen pekuniären Sorgen vorläufig enthoben waren. Dass die beiden Gebrüder Krönert sich sofort einen Vorschuß von je 2100 Gulden auszahlen ließen, läßt allerdings darauf schließen, dass sie sich in wenig günstiger Lebenslage befanden. Dennoch scheint der Überlebende von ihnen sich in seinen letzten Lebensjahren wieder in bedrängten Verhältnissen befunden zu haben, da er durch die Königsberger Kantgesellschaft von 1829 bis zu seinem August 1831 an der Cholera erfolgten Tode eine Unterstützung erhielt, die dann nach seinem Tode seiner Tochter, einer Klempnermeisterswitwe Steil zuteil wurde.

In gehobenere Lebensstellungen als Gattinnen eines mittleren Beamten, Pfarrers und Inspektors kamen die drei Töchter des Bruders. Eine Tochter der Henrietta Stuard heiratete sogar einen Baron Korff; sie verehrte Weihnachten 1855 eine von dem Philosophen stammende Tabaksdose König Friedrich Wilhelm IV., der sie der Kgl. Bibliothek Berlin überwies. Nachkommen der Töchter lebten noch 1909 in Libau und Riga. Der einzige männliche Stammhalter der Familie, Friedrich Wilhelm Kant, beim Tode des Oheims 22jährig, wurde nicht, wie sein Vater gedacht, Mediziner, sondern Kaufmann, gründete später ein selbständiges Geschäft in der kurischen Hauptstadt Mitau und starb in Riga 1847. Eine Tochter von ihm, Fräulein Charlotte Benigna Kant, starb 1899 in einem Mitauer Damenstift; ein Neffe derselben, der ebenfalls den Namen Kant trug, lebte zu Ende des 19. Jahrhunderts in Tiflis. Ein Urenkel Johann Heinrichs soll vor einigen Jahren noch als Kaffeeplantagenbesitzer bei Panama gelebt haben.

 

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1) In den 'Sitzungsberichten der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst usw. aus dem Jahre 1900'. Mitau 1901. S. 81—108. (Wir verdanken ihre Kenntnis, wie die so vieles anderen, dem bewährten Kantforscher A. Warda. Die Urschrift befindet sich auf der Kgl. und Univ.-Bibliothek in Königsberg.)

2) Es muß ihr bei dem Philosophen gut gegangen sein, denn sie hatte den Lohn der letzten dreiundeinhalb Jahre sich aufsummieren lassen.


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