Sitz der Seele
Seele, Sitz der. Die Seele ist „nicht deshalb mit dem Körper im Verkehr, weil sie an eine bestimmte Stelle desselben gefesselt ist, sondern es ist ihr eine bestimmte Stelle im Weltall zugeteilt, weil sie mit dem Körper in einer Art gegenseitigem Verkehr steht; hört dieser auf, so wird ihre ganze Stelle im Raume aufgehoben. Deshalb ist ihre Örtlichkeit eine abgeleitete, die sie nur zufällig erworben hat, keine ursprüngliche und ihrem Dasein notwendig anhängende Bedingung; weil alles, was an sich kein Gegenstand der äußeren Sinne (wie sie der Mensch besitzt) werden kann, d. h. das Unkörperliche, von der allgemeinen Bedingung des äußerlich Wahrnehmbaren, nämlich vom Raume, gänzlich losgelöst ist. Deshalb kann man der Seele die unbedingte und unmittelbare Örtlichkeit ab- und ihr doch eine bedingte und mittelbare zusprechen“, Mund. sens. § 30 Anm. (V 2, 132). Vgl. N 5459, 5457.
Der Begriff von einem „Sitz“ der Seele ist besser auszuschalten, „da er eine lokale Gegenwart, die dem Dinge, was bloß Objekt des inneren Sinnes und sofern nur nach Zeitbedingungen bestimmbar ist, ein Raumverhältnis beilege, verlanget, aber eben damit sich selbst widerspricht, anstatt daß eine virtuelle Gegenwart, welche bloß für den Verstand gehört, eben darum aber auch nicht örtlich ist, einen Begriff abgibt, der es möglich macht, die vorgelegte Frage (vom sensorium commune) bloß als physiologische Aufgabe zu behandeln“. Zur Materie, welche „die Vereinigung aller Sinnenvorstellungen im Gemüt“ möglich macht (sensorium commune), qualifiziert sich (nach der Entdeckung Sömmerings) das in der Gehirnhöhle enthaltene Wasser. Dieses ist „das unmittelbare Seelenorgan, welches die daselbst sich endigenden Nervenbündel einerseits voneinander sondert, damit sich die Empfindungen durch dieselben nicht vermischen, andererseits eine durchgängige Gemeinschaft untereinander bewirkt, damit nicht einige, obzwar von demselben Gemüt empfangen, doch außer dem Gemüt wären (welches ein Widerspruch ist)“. Das Gehirnwasser hat eine „dynamische Organisation“, welche auf „chemischen Prinzipien“ beruht, es zerlegt sich in chemische Stoffe und verbindet sich immer wieder aus ihnen, indem es von den Nerven dazu veranlaßt wird, auf die es dann zurückwirkt. „Wenn man nun als Hypothese annimmt, daß dem Gemüt im empirischen Denken, d. i. im Auflösen und Zusammensetzen gegebener Sinnenvorstellungen, ein Vermögen der Nerven untergelegt sei, nach ihrer Verschiedenheit das Wasser der Gehirnhöhle in jene Urstoffe zu zersetzen, und so durch Verbindung des einen oder des anderen derselben verschiedene Empfindungen spielen zu lassen (z. B. die des Lichts vermittelst des gereizten Sehnerven, oder des Schalls durch den Hörnerven usw.), so doch, daß diese Stoffe nach aufhörendem Reiz sofort wiederum zusammenflössen; so könnte man sagen, dieses Wasser werde kontinuierlich organisiert, ohne doch jemals organisiert zu sein; wodurch dann doch ebendasselbe erreicht wird, was man mit der beharrlichen Organisation beabsichtigte, nämlich die kollektive Einheit aller Sinnenvorstellungen in einem gemeinsamen Organ (sensorium commune), aber nur nach seiner chemischen Zergliederung begreiflich zu machen.“ Die Seele kann sich selbst keinen „Ort“ (nur eine „dynamische Gegenwart“) bestimmen, da sie kein Gegenstand äußerer Wahrnehmung ist, An. S. Th. Sömmering, 10. August 1795 (VIII 178 ff.).