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Stetigkeit

Stetigkeit. Das Stetige ist „eine Größe, die nicht aus Einfachem besteht“. Das Prinzip der Gesetze desselben ist die Zeit (s. d.). Das „metaphysische Gesetz der Stetigkeit“ lautet: „Alle Veränderungen sind stetig oder fließend, d. h. entgegengesetzte Zustände folgen einander nur vermittelst einer Reihe verschiedener Zwischenzustände. Denn da die beiden entgegengesetzten Zustände in verschiedenen Zeitpunkten stattfinden, zwischen zwei Zeitpunkten aber immer eine Zeit in der Mitte liegen muß und, bei deren unendlicher Reihe von Zeitpunkten, die Substanz weder in dem einen noch in dem anderen gegebenen Zustande sich befindet und doch auch nicht in keinem sein kann, so wird sie in verschiedenen Zuständen sein, und so fort in infinitum“, Mund. sens. § 14 (V 2, 106).

„Die Eigenschaft der Größen, nach welcher an ihnen kein Teil der kleinstmöglichste (kein Teil einfach) ist, heißt die Kontinuität derselben. Raum und Zeit sind quanta continua.“ „Alle Erscheinungen überhaupt sind kontinuierliche Größen“ (vgl. Größe). Das Reale in Raum und Zeit ist stetig, es gibt keinen leeren Raum, keine leere Zeit, KrV tr. Anal. 2. B. 2. H. 3. Abs. 2 (I 208 ff.—Rc 265 ff.). Alle Veränderung (s. d.) ist „nur durch eine kontinuierliche Handlung der Kausalität möglich, welche, sofern sie gleichförmig ist, ein Moment heißt“. „Aus diesen Momenten besteht nicht die Veränderung, sondern wird dadurch erzeugt als ihre Wirkung.“ Wie die Zeit vom Anfangsaugenblicke a bis zu ihrer Vollendung in b stetig wächst, so wird auch die Größe der Realität durch alle kleineren Grade, die zwischen beiden Zeitphasen enthalten sind, erzeugt. „Das ist nun das Gesetz der Kontinuität aller Veränderung, dessen Grund dieser ist, daß weder die Zeit, noch auch die Erscheinung in der Zeit aus Teilen besteht, die die kleinsten sind, und daß doch der Zustand des Dinges bei seiner Veränderung durch alle diese Teile als Elemente zu seinem zweiten Zustande übergeht. Es ist kein Unterschied des Realen in der Erscheinung, so wie kein Unterschied in der Größe der Zeiten, der kleinste“, ibid. 3. Abs. 3, 2. Analogie (I 240 f.—Rc 300 f.). Aller Zuwachs der empirischen Erkenntnis und jeder Fortschritt der Wahrnehmung ist nur „eine Erweiterung der Bestimmung des inneren Sinnes, d. i. ein Fortgang in der Zeit“. Dieser „Fortgang in der Zeit“ bestimmt alles. Die Teile desselben sind nur in der Zeit, nicht vor ihr gegeben. Ein jeder Übergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit erfolgt, ist „eine Bestimmung der Zeit durch die Erzeugung dieser Wahrnehmung“ und, da diese in allen Teilen eine Größe ist, „die Erzeugung einer Wahrnehmung als einer Größe durch alle Grade“. „Hieraus erhellt nun die Möglichkeit, ein Gesetz der Veränderung, ihrer Form nach, a priori zu erkennen. Wir antizipieren nur unsere eigene Apprehension, deren formale Bedingung, da sie uns vor aller gegebenen Erscheinung selbst beiwohnt, allerdings a priori muß erkannt werden können.“ „So ist demnach, ebenso wie die Zeit die sinnliche Bedingung a priori von der Möglichkeit eines kontinuierlichen Fortganges des Existierenden zu dem Folgenden enthält, der Verstand, vermittelst der Einheit der Apperzeption, die Bedingung a priori der Möglichkeit einer kontinuierlichen Bestimmung aller Stellen für die Erscheinungen in dieser Zeit, durch die Reihe von Ursachen und Wirkungen, deren die ersteren der letzteren ihr Dasein unausbleiblich nach sich ziehen, und dadurch die empirische Erkenntnis der Zeitverhältnisse für jede Zeit (allgemein) mithin objektiv gültig machen“, ibid. (I 241 f.—Rc 301 f.). Das Prinzip der Kontinuität verbietet in der Reihe der Erscheinungen (Veränderungen) „allen Absprung (in mundo non datur saltus)“, aber auch in dem Inbegriff aller empirischen Anschauungen im Raume „alle Lücke oder Kluft zwischen zwei Erscheinungen (non datur hiatus)“. Ein Leeres (vacuum) in der Erfahrung kann es also nicht geben. Dem „kontinuierlichen Zusammenhange“ aller Erscheinungen, d. h. der Einheit der Begriffe des Verstandes, darf durch nichts „Abbruch oder Eintrag“ getan werden, ibid. 3. Abs. 4, Widerlegung des Idealismus (I 260 f.—Rc 321 f.).

„Non datur saltus: Jede Verschiedenheit (in der Erscheinung) ist ein Quantum. Das“ Quantum aber muß durch repetitam positionem eiusdem möglich sein; also muß O mit A als gleichartig, aber nur als verschwindend oder unendlich klein angesehen werden. Also ist kein Progressus in der Bestimmung eines Dinges zu einem anderen Zustande als durch Steigerung derselben Qualität vom unendlich Kleinen an", N 5973; vgl. 4531, 3801, 4666, 5385, 5970. Vgl. Kontinuität, Grad, Realität, Empfindung, Null, Leer, Veränderung.