1400. Vernunft¹⁾. Verstand²⁾.
Verstand (vgl. Art. 259) ist die Fähigkeit, klare und deutliche Begriffe und Urteile über sinnliche Gegenstände zu gewinnen, Vernunft (Subst. verbale zu vernehmen) die Fähigkeit, auch das zu erfassen, was nicht in die Sinne fällt, d. h. auch rein geistige übersinnliche Wahrheiten zu erkennen und zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verknüpfen. In der Bestimmung des Unterschiedes zwischen Verstand und Vernunft weichen die verschiedenen Philosophen von einander ab, sie kommen jedoch darin überein, daß Vernunft als die höhere, Verstand als die niedrigere Fähigkeit gilt, daß die Vernunft mehr verbinde und zur Einheit zusammenfasse, der Verstand mehr scheide und das Einzelne bestimme. „ Vernunft ist das Vermögen, sich der Gründe für die Erscheinungen bewußt werden, über die Ursachen aller Dinge nachdenken und die nicht gegebenen Ursachen aus den gegebenen Erscheinungen ableiten zu können. Den verschiedenen Grad der Schärfe, womit das geschieht, nennen wir Verstand.“ Burmeister. „Sobald der Mensch angefangen hat, seinen Verstand zu brauchen und die Erscheinungen umher nach Ursachen und Zwecken zu verknüpfen, so dringt die Vernunft, ihrem Begriffe gemäß, auf eine absolute Verknüpfung und auf einen unbedingten Grund.“ Schiller, Über die ästhetische Erz. d. Mensch., 24. Brief. „Die Vernunft ist auf das Werdende, der Verstand auf das Gewordene angewiesen; jene bekümmert sich nicht: wozu? dieser fragt nicht: woher? — Sie erfreut sich am Entwickeln; er wünscht alles festzuhalten, damit er es nutzen könne.“ Goethe, Spr. i. Pr. 896.