1445. Volkspoesie¹⁾. Volkslied²⁾.
Volksweise³⁾.
Volkspoesie umfaßt das gesamte Gebiet der Volksdichtung. Ursprünglich war Volkspoesie und Volkslied Gemeinbesitz des ganzen deutschen Volkes, hoch und niedrig ergötzten sich in gleicher Weise daran. Volkspoesie war ursprünglich soviel wie nationale Poesie. Erst als die höheren Stände ihre Bildung und Kunst aus der Fremde holten, entfremdeten sie sich der nationalen Dichtung, und die Volkspoesie flüchtete sich zu der großen Masse, zu den unteren und mittleren Ständen, die nun Hüter und Träger der Volkspoesie wurden, während die an fremder Bildung genährte Dichtung Kunstpoesie genannt wurde. Landleute, Bauern, Handwerker, Soldaten, Jäger usw. wurden die Träger der Volkspoesie. Und so versteht man unter Volkspoesie heute die aus der Tiefe unseres Volkes aufgestiegene, bodenständige und wurzelechte Kunst der Heimat, wie sie im Nibelungenlied, der Gudrun, dem Volkslied u. a. vorliegt. Volkslied ist nur ein Teil dieser Poesie, nämlich der lyrische, vom Volk gesungene. Volkslied umfaßt Wort und Weise, Text und Melodie, während Volksweise nur eine Volksmelodie, also nur die musikalische Seite des Volksliedes bezeichnet.