355. Demut¹⁾. Bescheidenheit²⁾.
Wer sich scheut, seinen eigenen Wert zu überschätzen, besitzt Demut (eig. Dienersinn, Unterwürfigkeit; mhd. dêmuot, diemüete, ahd. deomuoti, Herablassung, Bescheidenheit, Milde; die Silbe De, ahd. deo ist got. pius, Knecht, Diener); wer aber in seinen Ansprüchen, selbst wenn sie gegründet sind, sich selbst beschränkt, Bescheidenheit (vgl. Art. 120). Die Demut hat daher die Bescheidenheit zur Folge, während jemand bescheiden sein kann, ohne Demut zu besitzen. „Das Bewußtsein und Gefühl der Geringfügigkeit seines moralischen Wertes in Vergleichung mit dem Gesetz ist die moralische Demut (humilitas moralis).“ Kant, V, 268 [Grimm]. „Wie nach des Herrn und Heiland hohem Vorbild noch vor der Ärmsten heut zur heiligen Zeit der Christenheit geweihter Kronenträger den Scheitel neigt in selbstgewollter Demut.“ Gustav Falke, Fußwaschung. Mynheer der Tod, 2. Aufl. 1900, S. 44.