394. Durchgehen¹⁾. Durchbrennen²⁾. Desertieren³⁾.
Die drei Ausdrücke sind nur in der übertragenen Bedeutung: aus den Verhältnissen, innerhalb deren man bisher lebte, davongehen, sinnverwandt. Durchgehen und durchbrennen sind zwei mit der Präposition durch trennbar zusammengesetzte Zeitwörter (er geht, brennt durch; er ist durchgegangen, durchgebrannt; er plant durchzugehen, durchzubrennen); sie dürfen daher mit dem untrennbar zusammengesetzten durchgehen (z. B. er hat den Park nicht durchfahren, sondern durchgangen) und durchbrennen (z. B. der Boden des Zimmers zeigte eine durchbrannte Stelle) nicht verwechselt werden. — Durchgehen sagt man zunächst von Pferden, die dem Zügel des Reiters oder Kutschers nicht mehr folgen, weil sie scheu geworden sind, und die nun ohne jede Lenkung dahinstürmen. Die Pferde gehen durch das Geschirr, wie eigentlich die volle Redewendung lautete, während ein Pferd, das vom Reiter oder Kutscher gelenkt wird, im Geschirr geht. Man hat sich den Vorgang so gedacht, daß die Pferde durch das Geschirr hindurch und aus diesem herausbrechen, so daß sie nun nicht mehr gelenkt werden können. Später brauchte man dafür nur das einfache durchgehen, das nun auch auf Menschen übertragen wurde, die einem gesetzmäßigen Zustande heimlich und auf ungesetzliche Weise entweichen, z. B. dieser Mann ist mit der Frau eines andern durchgegangen, oder die Frau ist ihrem Manne durchgegangen; der Verwalter ist mit der Kasse durchgegangen usw. Ähnlich sagte man von dem Wilde, das von den Jägern mit Tüchern (Lappen) umstellt wurde, wenn es der umschließenden Kette entrann: es ist durch die Lappen gegangen; auch diese Redensart wird als derbe Volkswendung auf durchgegangene Kassierer usw. angewendet. Durchgehen ist der gewähltere Ausdruck; es ist auch gewählter als das volksmäßige durchbrennen, das im Gefühlswert einige Stufen niedriger steht als durchgehen. Durchbrennen, d. i eigentlich durch die Wand, durch das Dach brennen, bezeichnet ursprünglich die Flamme, die sich der Fessel entrafft. Von der Schnelligkeit, mit der die Flamme weiterzüngelt, hat durchbrennen den Nebensinn des besonders schnellen Verschwindens. Das heimliche Verschwinden betonen beide Worte, aber die Schnelligkeit, mit der ein das Weite Suchender namentlich vor seinen Verfolgern einen großen Vorsprung gewinnt, wird durch das Wort durchbrennen besonders hervorgehoben. — Durchgehen sagt man auch von einem, der sich von seiner Leidenschaft zu irgend einem tollen oder wilden Handeln hinreißen läßt. So nennt man einen, der in seinen Reden zu hitzig wird und zu weit geht, oder in seiner Lustigkeit die üblichen Grenzen nicht ängstlich einhält usw., scherzhaft einen Durchgänger. Durchbrenner kann in diesem Sinne nicht stehen. Für durchbrennen sagt man auch weniger drastisch: sich aus dem Staube machen, das Weite suchen. — Desertieren (von mittellat. desertare, franz. déserter, die beide auf lat. deserĕre, verlassen, zurückgehen) bezeichnet nur die heimliche Flucht aus dem Heeresdienste. Man sagt dafür deutsch: fahnenflüchtig, heerflüchtig werden und bezeichnet den Deserteur als einen Fahnenflüchtigen.