428. Eigensinnig¹⁾. Eigenwillig²⁾. Halsstarrig³⁾. Starrsinnig⁴⁾. Starrköpfig⁵⁾. Hartnäckig⁶⁾. Störrig⁷⁾. Widerspenstig⁸⁾.
Der Eigensinnige beharrt bei seinen Meinungen und Entschlüssen gegen alle vernünftigen Vorstellungen, die andere ihm entgegenstellen, weil sein Verstand nicht weit genug schaut oder zu bequem ist, um die Unrichtigkeit seiner Meinung zu erkennen. Der Eigensinn geht daher meist aus Kurzsichtigkeit und üblen Launen hervor. Kinder, kurzsichtige, launische Menschen, und besonders nervenkranke und hysterische Weiber sind eigensinnig. Wenn der Eigensinnige auf seinem Willen besteht, weil er gute Gründe dafür zu haben glaubt, so beharrt der Eigenwillige darauf bloß, weil er seinen Willen haben will. „Sinnlos eigenwillig.“ Shakespeare von Schlegel, Rich. III., 1. Die Geselligkeit bildet den Verstand, macht heiter, gefällig und nachgebend; daher sind ungesellige Menschen gewöhnlich eigensinnig und eigenwillig. Der Starrsinn ist ein höherer Grad des Eigensinns. Der Starrsinnige beharrt auf seinen unvernünftigsten Entschlüssen gegen die augenscheinlichsten Gründe für das Gegenteil. Sein Starrsinn kann daher nicht anders, als durch Gewalt gebrochen werden. Man findet ihn bei rohen Menschen und im höchsten Grade bei Wahnsinnigen, die daher gezwungen werden müssen, das zu tun, was unumgänglich notwendig ist. Starrköpfig ist, wer nach tiefgewurzelten Vorurteilen handelt, und dessen Wille nicht gebändigt werden kann, sobald er für oder wider eine Sache oder Person leidenschaftlich eingenommen ist. Es ist unmöglich, seinen Sinn zu beugen, solange er unter der Herrschaft einer blinden Vorliebe für etwas sich befindet oder von Haß und Zorn bemeistert wird. Der Hartnäckige (eig. einen harten Nacken habend) wird von seiner Meinung, seinem Entschlüsse und, wenn die Ausführung desselben angefangen ist, von seinem Unternehmen, durch nichts, was sich ihm entgegensetzt, abgebracht. Bei dem Eigensinne ist das, was ihm entgegentritt, bloß fremder Wille, bei der Hartnäckigkeit sind es Drohungen, Schmerzen und andere Hindernisse. Wer sich durch die Schwierigkeiten, die man ihm in den Weg legt, oder die aus der Natur der Sache selbst entspringen, nicht von seinem Unternehmen abschrecken läßt, wer gegen die Erschöpfung seiner Kräfte und selbst gegen die Langeweile und den Überdruß, wenn sich die Vollendung in die Länge zieht, immer noch aushält, der beharrt hartnäckig bei seinem Unternehmen. Die Hartnäckigkeit ist strafbar, wenn das, worauf sie beharrt, böse und unrecht ist; sie ist lächerlich, wenn die Unternehmung unausführbar ist. Das ist aber oft nicht so ausgemacht. Der Ausgang kann bisweilen das Unternehmen eines großen Mannes krönen, das gemeine Seelen für unausführbar hielten; alsdann nennt man sein Ausdauern nicht mehr die Hartnäckigkeit eines schwärmerischen Don Quixote, sondern die Beharrlichkeit einer starken Seele. Wer Peter den Großen seinen Plan, Rußland zu einer großen See- und Landmacht zu erheben, als Schiffszimmermann und gemeinen Soldaten anfangen und durch alle Stufen des Dienstes so lange fortsetzen gesehen hat, wird über seine Hartnäckigkeit vielleicht den Kopf geschüttelt haben, indes die Nachwelt seine Beharrlichkeit bewundert, nachdem sein Vorhaben in so hohem Grade gelungen ist. Der Halsstarrige (eig. mit starrem, d. i. unbeugsamem Halse) ist hartnäckig gegen die, denen er Gehorsam schuldig ist. Kränkelnde Laune macht Eigensinnige, willkürliche und tyrannische Behandlung macht Halsstarrige. Störrig (von: der Storren, d. i. Baumstumpf, mhd. der storre, ahd. der storro; störrig heißt demnach eigentlich: stumpf artig, klotzartig, wie ein Klotz; verwandt mit starr) oder störrisch bedeutet den höchsten Grad der Unbeugsamkeit und Halsstarrigkeit, und zwar eine solche, die aus einer finstern und menschenfeindlichen Gemütsart herkommt, welche sanften Neigungen nicht zugänglich ist. Ganz ähnliche Bedeutung hat der volksmäßige, nur in niederer Sprache übliche Ausdruck stöckisch, d. i. wie ein Baumstock oder Baumstumpf. Der Widerspenstige (mhd. widerspenstec oder widerspænec, von mhd. widerspân oder spän, d. i. Zank, Streit) hat Berührungspunkte mit dem Halsstarrigen. Beide beziehen sich auf einen fremden Willen, dessen Einwirkungen sie nicht nachgeben. Allein der Halsstarrige gibt bloß nicht nach, der Widerspenstige widersetzt sich zugleich. Bei dem Halsstarrigen geschieht die Einwirkung auch durch Rat, Befehl, Verbot; bei dem Widerspenstigen durch Drohung und Gewalt; er setzt den Drohungen Drohungen, der Gewalt Gewalt entgegen. Das halsstarrige Pferd folgt dem Zurufe, dem Zügel und der Peitsche seines Führers nicht; es steht, wenn es stehen, und läuft, wenn es laufen will, ohne sich an den Reiter zu kehren; das widerspenstige tut nicht allein das, es bäumt sich auch und schlägt aus, wenn es Zügel und Peitsche fühlt. „Zornig über alle Ketzer, die ihn, störrig, nicht verehrten.“ Ricarda Huch, Spinoza. Gedichte, Leipzig 1894, S. 128.