527. Ertragen¹⁾. Tragen²⁾. Vertragen³⁾.
Tragen heißt überhaupt, eine Last auf sich ruhen lassen, ertragen fügt dazu den Begriff des Ausharrens, des Aushaltens der Kraft, die zum Tragen gehört, Hier kommt nur die uneigentliche Bedeutung in Betracht. Da gebraucht man tragen überhaupt von allem, was uns beschwerlich wird, sei es ein größeres oder kleineres, freiwillig oder gezwungen erduldetes Übel; ertragen dagegen wird nur von größeren Übeln gesagt, zu deren Erduldung ein höheres Maß von Kraft und besonders Festigkeit des Willens gehört, und bezeichnet zugleich das ruhige Ausharren in der üblen Lage (vgl. Art. 211). „Was hab ich nicht getragen und gelitten | in dieser Ehe unglücksvollem Bund.“ Schiller, Wallenst. Tod III, 3. „Ertragen sollt’ ich die leichtfert’ge Rede | des Unverschämten: Wenn der Bauer Brot | wollt’ essen, mög’ er selbst am Pfluge ziehn!“ Schiller, Teil I, 4. Bezwinget euch, ertragt es wie ein Mann!“ Ebenda. Vertragen (eig. wohin tragen, tragend verteilen) heißt, etwas, das auf unsern Körper oder Geist von schädlicher Wirkung sein kann, ohne Nachteil genießen oder erdulden. Man sagt von einem Weintrinker, er kann viel vertragen, sofern ihm eine große Menge Wein keine Beschwerden verursacht. Beleidigungen verträgt der eine aus Mangel an Ehrgefühl, der andere erträgt sie aus Sanftmut. Manche Menschen können die guten Tage nicht vertragen, sie werden dadurch übermütig und kommen dann durch ihren Übermut leicht zu Schaden. Daher sagt der Storch in der Fabel: „Weil ihr die guten Tage nicht habt vertragen können, so ertragt nun die bösen."