503. Ermangeln¹⁾. Unterlassen²⁾.
Unterlassen kann von allem gesagt werden, was wir aus irgendeinem Grunde nicht tun, wir mögen es zu tun schuldig sein oder nicht; ermangeln hingegen nur von Pflichten oder von Handlungen, deren Ausübung erwartet wird, entweder weil wir einen ganz besondern Grund dazu haben oder weil wir sie bisher regelmäßig getan haben. Man unterläßt seine Zinsen abzutragen, was man doch zu tun schuldig ist; man unterläßt aber auch seinen Spaziergang zu machen, zu dem man nicht verpflichtet ist. Ich sage aber, daß ich heute gewiß nicht ermangeln werde, die Zeitung zu lesen, wenn ich darin wichtige Neuigkeiten erwarte. Es ist keine Schuldigkeit, die Zeitung zu lesen, aber die interessanten Nachrichten, die ich darin vorzufinden hoffe, sind ein besonderer Grund, der zum Lesen auffordert. Auf eine Einladung entgegnet man: Ich werde nicht ermangeln zu kommen — um dadurch anzudeuten, daß man sich durch die Einladung besonders geehrt fühle und aus diesem Grunde sich verbunden fühle, zu kommen. Von einem Freunde unseres Hauses, der uns täglich besucht, sagen wir: Er wird auch heute nicht ermangeln zu kommen! — um dadurch anzudeuten, daß wir an sein Kommen gewöhnt sind und sein Außenbleiben als einen Mangel, eine Störung des gewohnten Kreises empfinden würden. — Ermangeln ist ferner nur mit Negation in Gebrauch und klingt gewählter, als unterlassen.