482. Erborgen¹⁾. Entlehnen²⁾. Leihen³⁾. Borgen⁴⁾. Abborgen⁵⁾. Abborgen⁶⁾.
Borgen (mhd. borgen, ahd. borgên, d. i. worauf achthaben, jemand schonen; dann: jemand die Zahlung erlassen, auch: Bürge sein für etwas, mit bergen verwandt, das Sicherstellen beider Teile hervorhebend) und leihen (ahd. lîhan, auf Borg nehmen, zu Lehen nehmen, auch: auf Borg, d. i. zu Lehen, zur Miete geben) können sowohl heißen: ein Dahrlehn geben, wie: ein Darlehn nehmen. (Luther gebraucht leihen nur in der ersten Bedeutung, borgen aber in beiden.) Noch Lessing gebraucht borgen nur vom Nehmen, leihen vom Geben eines Darlehns: „Borgen | ist viel besser nicht als betteln; so wie leihen, | auf Wucher leihen, nicht viel besser ist | als stehlen.“ Nath. d. Weise II, 9. Die übrigen Ausdrücke werden nur vom Nehmen eines Darlehns gesagt. Entlehnen weist zugleich auf den andern hin, von dem man die Sache genommen hat; indes leihen und borgen nur anzeigen, daß sie uns zum Gebrauche überlassen sei. Von den durch den Gebrauch untergehenden Sachen, besonders aber von dem Gelde, gebrauchen wir, wenn wir genau reden, das Wort borgen; leihen hingegen wird auch, und zwar eigentlich allein, von Dingen gesagt, die nicht verbraucht werden. Die Folge von diesem Unterschiede ist, daß, wer eine Sache von einem andern entlehnt oder leiht, die Sache selbst wiedergeben muß. Der Entlehner erhält nicht das Eigentumsrecht, und derjenige, der sie dem andern leiht, verliert es nicht; der Entlehner kann sie daher auch nicht als sein Eigentum behandeln. Der Borger hingegen erhält das Eigentumsrecht über das Geld; er ist nur verbunden, es der Gattung nach in der nämlichen Summe und in dem nämlichen Werte wiederzugeben. Von unbeweglichen Dingen kann nur leihen gesagt werden, z. B. ein Haus, ein Gut, ein Feld leihen; daraus erklärt sich zugleich, weshalb leihen edler ist als borgen; weil es sich beim leihen um größere, wertvollere Gegenstände handelt. Die angegebene Bestimmung des Sinnes dieser Wörter gilt auch für den uneigentlichen Gebrauch. Borgen und erborgen enthält in diesem Gebrauche immer schon an sich einen verächtlichen Nebenbegriff, entlehnen und leihen hingegen nicht. Man tadelt es nicht, daß ein Schriftsteller aus einem andern eine Stelle entlehne; denn er läßt ihm sein Eigentumsrecht auf dieselbe; wenn man aber sagt, daß er seine Gedanken von einem andern erborgt habe, so stellt man ihn in einem verächtlichen Lichte dar; denn man gibt zu verstehen, daß er aus eigener Geistesarmut sich fremde Gedanken zueigne. Vergil hat seine Idee eines Heldengedichtes von den Griechen entlehnt, aber nicht geborgt oder erborgt; denn er hat sich ihre Erfindung nicht zugeeignet, noch sich aus Mangel an eigener Erfindungskraft mit den Schätzen ihrer Poesie bereichert. Man leiht ein Kleid von demjenigen, der es uns einmal zum Anziehen überläßt, aber man borgt bei dem Kaufmann das Kleid, man nimmt es auf Borg, wenn man es kauft, ohne es sogleich zu bezahlen. In diesem letzteren Falle wird man nicht sagen können, man habe das Kleid geliehen. Erborgen (wobei er- zugleich andeutet, es habe Mühe gekostet) drückt die Vollendung der Handlung des Borgens aus; borgen geht auch schon auf die Schließung des Borgvertrages und die dazu gehörigen Unterhandlungen. Abborgen bezeichnet den Verlust des Besitzes, den infolge des Borgens der Besitzer erleidet. Aufborgen heißt, verschiedene Dinge an mehreren Orten zusammenborgen. „Mir (dem Achilles) hätte | nicht Thetis, der Erinnyen eine hätte | das Leben mir gegeben, wenn ich mich | des Königs Mordbegier zum Werkzeug borgte.“ Schiller, Iph. i. Aul. IV, 3. — Leihen ist edier und gewählter als borgen und wird deshalb oft für diesen Ausdruck gesetzt, ja in guter Sprache meidet man vielfach borgen und zieht leihen vor, z. B. Geld leihen u. ähnl. „Lord Burleigh leiht dienstfertig dem Gerichte, | dem er den Geist geliehn, nun auch den Mund.“ Schiller, M. Stuart I, 7. Pumpen (d. i. eigentlich mit der Pumpe Wasser aus einem Brunnen heraufholen) ist studentischer Kraftausdruck für Borgen; das Geld wird aus dem Philister herausgeholt, herausgepumpt, wie das Wasser aus dem Brunnen. „Herr Wirt, nehm’ er das Glas zur Hand und schenk’ er wieder ein! Schreib’ er’s nur dort an jene Wand, gepumpet muß es sein!“ Studentenlied: Ich hab den ganzen Vormittag.