526. Erteilen¹⁾. Geben²⁾. Verleihen³⁾.
Geben (Gegens. nehmen) ist der allgemeinste Ausdruck und heißt überhaupt, jemand in den Besitz von etwas setzen; erteilen wird zunächst von dem gesagt, der über etwas größeres, das sich teilen läßt, zu verfügen hat, dann überhaupt von dem, der eine größere Machtvollkommenheit besitzt; daher enthält es mehr Feierlichkeit und Förmlichkeit. Ein Freund gibt seinem Freunde, ein König erteilt eine Antwort, eine Anweisung. Ein Feldherr erteilt, ein Hausvater gibt Befehle. Der Grund dieser Feierlichkeit kann in nichts anderem als in der Wichtigkeit der Sache liegen, die gegeben wird, und da das Wichtige Aufmerksamkeit und Nachdenken verdient, so heißt erteilen also: mit Überlegen und Nachdenken geben (vgl. Urteil). Diese Überlegung bezieht sich darauf, ob das, was man gibt, demjenigen, dem man es gibt, angemessen sei. Ein Regent erteilt Ämter und Würden, d. h. er gibt sie, indem er das Maß des Verdienstes erwägt, das einem Manne einen gerechten Anspruch darauf gibt. Er erteilt einem Gesandten eine Antwort; aber ein lebhaftes Mädchen gibt einem lustigen Witzling, der sie necken will, eine spitzige Antwort. Verleihen (eig. jemand etwas als Lehen übergeben; vgl. Art. 482) drückt aus, daß das Gegebene etwas vorzüglich Gutes ist, und daß es dem aus Gnade gegeben wird, den man besonders begünstigen will. Man gibt auch schädliche Dinge; man erteilt unangenehme und gleichgültige, aber man verleiht nur gute. Man gibt auch Verweise, man erteilt Antworten, aber man verleiht nur Ehrenzeichen, Vorzüge u. s. f. Gott verleiht Vorzüge, er hat uns Vernunft, Sprachfähigkeit u. dgl. verliehen, welches vorzügliche Güter sind, denn er gibt aus Liebe zu den Menschen, ohne Rücksicht auf ihr Verdienst. „Er verleihe immerdar Frieden.“ Sir. 50, 25. „Die Neigung gibt | den Freund, es gibt der Vorteil den Gefährten; | wohl dem, dem die Geburt den Bruder gab! | Ihn kann das Glück nicht geben.“ Schiller, Br. v. Mess. I, 4. „Ablaß ist uns erteilt für alle Schulden.“ Schiller, Mar. Stuart III, 6.