521. Ersehen¹⁾. Ausersehen²⁾. Wählen³⁾.
Zunächst unterscheidet sich ersehen von wählen dadurch, daß ersehen nur eine Tätigkeit des Verstandes bezeichnet, der durch Vergleichen das Beste, Angenehmste, Schönste usw. unter einer Menge von Dingen aussucht; wählen (mit wollen verwandt) hingegen ist zugleich eine Tätigkeit des Willens, der ein Ding vor anderen fest und entschieden begehrt. Außerdem ersieht man etwas nur aus sehr vielen Dingen von einerlei Art; man hat aber oft nur zwischen zweien zu wählen. Ersehen setzt ferner immer eine längere Prüfung, innere Beratschlagung und sorgfältige Vergleichung voraus, und man folgt dabei immer den besten Gründen oder wenigstens solchen, die man für die besten hält, man wählt aber oft, indem man sich dem bloßen Ungefähr überläßt. Man kann wohl etwas blindlings wählen, aber nicht blindlings ersehen. Endlich drückt ersehen aus, daß wir etwas bloß vorziehen, weil es uns gefällt, daß wir dabei also völlig frei und ungezwungen sind. Wir wählen aber oft auch ein Übel, wenn es das kleinste von zwei Übeln ist, zwischen denen wir gezwungen sind, zu wählen. Ausersehen unterscheidet sich von ersehen dadurch, daß es noch stärker auf die Menge von ähnlichen Dingen hindeutet, aus denen etwas ersehen wird; das Ausersehene ist daher, da es eine so große Menge überragt, mit ganz besonderen Vorzügen ausgestattet. „In diesem Fahrenlassen und Ergreifen, in diesem Fliehen und Suchen glaubt man wirklich eine höhere Bestimmung zu sehen; man traut solchen Wesen eine Art von Wollen und Wählen zu und hält das Kunstwort Wahlverwandtschaften für vollkommen gerechtfertigt.“ Goethe, Wahlverw. 1, 4. „Wähl' einen aus den Edeln deines Heers | und stelle mir den Besten gegenüber!“ Goethe, Iphig. V, 6. „Du lenkest nun, was uns begegnen soll, | du hast zu wählen! . . . Eugenie: Und nennst du Wahl, wenn Unvermeidliches | Unmöglichem sich gegenüberstellt?“ Goethe, Nat. Tochter IV, 4. „Über Isais Söhnen habe ich mir einen König ersehen.“ 1. Sam. 16, 1. „Der einst den frommen Knaben Isais, | den Hirten, sich zum Streiter ausersehen“ usw. Schiller Jungfr. Prol. IV, 4.