651. Gebot¹⁾. Befehl²⁾. Gesetz³⁾. Verordnung⁴⁾. Satzung⁵⁾.
So oft ein Oberherr erklärt, daß er etwas augenblicklich vollzogen wissen will, erkennt der Untertan seine höchste Macht an, indem er diesen Willen ein Gebot nennt. Der Sultan in dem morgenländischen Märchen befahl seinem Vezier Azem, ihm auf der Stelle zu sagen, was die beiden Vögel, denen er zugehorcht, miteinander gesprochen hätten. Der Vezier antwortet: „Verändre das Gebot: will ihm dein Wink befehlen, | so sei es, was er hört, dir ewig zu verhehlen.“ Hagedorn. Sofern der erklärte Wille des Oberherrn entweder alle seine Untertanen oder einen großen Teil derselben in Hinsicht auf eine gewisse Gattung von Handlungen verpflichtet, nennt man ihn Gesetz. Dadurch unterscheidet sich Gesetz von Gebot, das auch nur einen einzelnen Menschen und eine einzelne Handlung betreffen kann, sowie von Befehl, der auch außerdem nicht von dem höchsten Oberherrn auszugehen braucht, Gesetz ist auch in anderer Hinsicht allgemeiner als Gebot; es kann nämlich auch eine Summe von Geboten bezeichnen. So nennt man die zehn Gebote auch zusammenfassend das Gesetz. Gesetz und Gebot haben beide unbedingte Verbindlichkeit; das ist der Hauptpunkt, durch den sie sich von Befehl, Satzung und Verordnung unterscheiden. Gesetz und Gebot haben aus diesem Grunde auch mehr Würde, als die genannten Ausdrücke, und werden auch von den Äußerungen des göttlichen Willens (Sittengesetz, Gebote Gottes) und von dem gebraucht, was sich mit unbedingter Notwendigkeit vollzieht (Naturgesetz, Denkgesetz usw.). Sittenbefehl, Naturbefehl usw. würde zu wenig gesagt sein. Befehlen heißt ursprünglich übergeben, anvertrauen, und wem man etwas befiehlt, dem vertraut man eigentlich die Erledigung einer Angelegenheit an; erst in späterer Zeit schwand die Bedeutung des Anvertrauens und befehlen wurde nur noch in der Bedeutung: einem Untergebenen in bestimmter und entschiedener Weise einen Auftrag, eine Vorschrift usw. geben, gebraucht. Die verpflichtende Kraft ist also in Befehl zwar vorhanden, aber nicht in solcher Unbedingtheit wie in Gesetz und Gebot. Eine Verordnung ist eine Willenserklärung, sofern sie eine gewisse Ordnung vorschreibt, die beobachtet werden soll. Es wird durch diesen Ausdruck also nicht die verpflichtende Kraft, wie in Gesetz, Gebot, Befehl ausgedrückt, sondern nur eine Regelung des Verfahrens in bestimmten Fällen angedeutet. Man nennt daher auch die Vorschriften eines Arztes, in denen er die Lebensordnung oder den Gebrauch von Arzneien angibt, Verordnungen. Satzung ist ein altes deutsches Wort, das die rechtlichen Bestimmungen bezeichnete, auf welche irgendeine große Körperschaft, Universität, Ritterorden, Zünfte, Innungen usw. gestiftet worden waren. Das Wort ist in diesem Sinne z. B. noch im deutschen Staatsrechte in Gebrauch, in welchem das Wort Reichssatzungen als Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten der Reichsglieder vorkommt. Sonst wird bei Gründung von Gesellschaften jetzt gewöhnlich das Fremdwort Statuten angewendet, das aber durchaus entbehrlich und erfreulicherweise nach dem Vorgange des allgemeinen deutschen Sprachvereins in jüngster Zeit schon vielfach durch den guten deutschen Ausdruck Satzungen verdrängt worden ist. Im allgemeineren Sinne versteht man unter Satzung die willkürlichen und vergänglichen Bestimmungen, die Menschen geschaffen haben, im Gegensatz zu den ewigen und unabänderlichen Gesetzen Gottes und der Natur. In dieser Bedeutung ist das Wort noch heute allgemein üblich.