718. Glücklich¹⁾. Zufrieden²⁾. Befriedigt³⁾. Vergnügt⁴⁾.
Befriedigung und Zufriedenheit zeigt bloß den Zustand an, in welchem wir keine Wünsche mehr haben, die wir gern erfüllt sehen möchten. Befriedigung und befriedigt drückt aber nur einen vorübergehenden Zustand aus, den Zustand nämlich, der unmittelbar auf die Erfüllung eines Wunsches oder eines Verlangens folgt, zufrieden und Zufriedenheit einen dauernden und durch keine neuen Wünsche unterbrochenen Zustand. Daher bezieht sich zufrieden und Zufriedenheit auf das gesamte Begehren des Menschen, befriedigt und Befriedigung auf ein besonderes einzelnes Begehren. Ein Wunsch, eine Begierde, eine Leidenschaft wird befriedigt, aber das Herz und die Seele sind zufrieden. Die Befriedigung unserer Wünsche hat oft die üble Folge, daß sie neue erregt und daher die Zufriedenheit mehr hindert als befördert. Man muß nicht jedes Verlangen eines Kindes befriedigen, um es frühzeitig zur Zufriedenheit zu gewöhnen. „Die Begierden, sagt Seneca, sind nie befriedigt, aber die Natur ist mit wenigem zufrieden.“ Befriedigt und zufrieden zeigen bloß die Befreiung von Wünschen an, die durch den Besitz des begehrten Gegenstandes entsteht; vergnügt (eig. einer, dem gänzlich genug getan ist) und glücklich den Genuß eines Gegenstandes oder die Freude, die uns das Bewußtsein seines Besitzes verschafft, wir mögen ihn gewünscht und uns selbst verschafft haben, oder er mag uns ohne unsern Wunsch und unser Zutun geworden sein. Ein Geiziger ist darum noch nicht vergnügt und glücklich, wenn auch seine Leidenschaft täglich durch die Vermehrung seines Reichtums befriedigt wird, weil er ihn nicht genießt, und nicht zufrieden, weil er immer noch mehr zu besitzen wünscht. Von dem Vergnügen unterscheidet sich das Glücklichsein wieder durch seine Dauer. Ein einzelnes Vergnügen, oder selbst mehrere, können auf dem ganzen dunkeln Gemälde des Lebens als seltene leuchtende Punkte verstreut sein, ohne daß man deswegen das ganze Leben ein glückliches, oder den Menschen, dem es zuteil wird, einen Glücklichen nennen wird. Die rohe Freude macht den Wilden bisweilen vergnügt, er ist aber darum nicht glücklicher, als der gebildete Mensch; denn der stete Wechsel von Unmäßigkeit und Not stört oft sein Vergnügen, und seine Roheit beraubt ihn des höheren Vergnügens, das der Gebildete genießt. So wie das Glücklichsein durch die Dauer des Genusses mehr ist, als das Vergnügen, so ist es auch mehr als die Zufriedenheit durch die Größe des Genusses.