708. Gewalt¹⁾. Macht²⁾.
Macht (von mögen, d. i. können) ist das Vermögen, irgend etwas mit großem Nachdruck zu wirken. Gewalt (von ahd. waltan, walten, d. i. herrschen) ist das Vermögen, andere zu zwingen, die Überlegenheit. „Gewalt geht vor Recht.“ Die physische, geistige oder sittliche Macht erhält ein Ding durch seine Kräfte, und diese Macht heißt Gewalt, wenn sie gebraucht wird, einen Widerstand zu besiegen. Wir legen den Dingen, die auf unsere Seele wirken, eine große Macht bei, sofern ihre Einwirkungen sehr stark sind, und eine große Gewalt, sofern wir ihnen entweder gar nicht oder nur mit vieler Mühe widerstehen können. „Ich bekam nach und nach meine Macht wieder und schalt mich töricht, den ersten Eindrücken der Macht eines Tones solche Gewalt über mich gestattet zu haben.“ Karol v. Wolzogen, Agnes v. Lilien. „So rafft von jeder eiteln Bürde, | wenn des Gesanges Ruf erschallt, | der Mensch sich auf zur Geisterwürde | und tritt in heilige Gewalt (d. i. unter die Herrschaft des Heiligen, Edlen); ... | und jede andre Macht muß schweigen.“ Schiller, Macht des Gesanges. „Da ergreifts’ ihm die Seele mit Himmelsgewalt.“ Schiller, Taucher.