668. Gehen¹⁾. Wandeln²⁾. Wandern³⁾. Wallen⁴⁾.
Gehen ist der allgemeinste Ausdruck und wird sowohl von Tieren als von Menschen gesagt. Die Tiere und Menschen gehen bald geschwind, bald langsam. Wandeln wird nur von Menschen gebraucht, und zwar von einem Gange, der ohne Beschwerlichkeit und kein Gang im Dienste eines notwendigen Geschäfts und zu einem bestimmten Ziele hin ist. Wer daher zu seinem Vergnügen geht, der lustwandelt. Aber man sagt: Ich gehe, nicht wandele, Blumen zu pflücken. Da den Gang des Wandelnden weder eine Last aufhält, noch ein Geschäft beschleunigt, so zeigt wandeln ein ruhiges, gleichmäßiges Gehen an. Nur in edlem Stile ist es gebräuchlich; namentlich in der biblischen Sprache ist der Ausdruck üblich, wo es zugleich auf das sittliche Leben übertragen wird. „Welches ist leichter, zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Stehe auf und wandle?“ Matth. 9, 5. „Wandle vor mir und sei fromm.“ 1. Mos. 17, 1. Wandern (wandern ist mit wandeln desselben Stammes; beide Ausdrücke sind herzuleiten von ahd. wantôn und wanden [schw. Verb, zu winden = drehen, winden], d. i. drehen, ändern, wenden, sich wenden; einer, der wandelt oder wandert, ist also einer, der sich wendet, d. h. hin- und hergeht) wird nur von den Reisenden, und zwar von den zu Fuß Reisenden gebraucht. Namentlich wird es von den Handwerksgesellen gebraucht, weil diese überhaupt zu Fuß reisen. Goethe schrieb Wilhelm Meisters Lehrjahre und Wanderjahre. Er nannte sich selbst eine Zeitlang wegen seines Umherschweifens mit Vorliebe den Wanderer, und darauf beziehen sich Gedichte wie: Wanderers Sturmlied, Wanderers Nachtlied u. a. In weiterer Bedeutung wird dann wandern überhaupt von allem gebraucht, was sich an einen fremden Ort begibt, z. B. Wanderratte, Wandertaube, wandernde Schauspieler, Gaukler, Völker usw. Wallen (ahd. wallôn, mhd. wallen, wandern, wallfahrten) wird von der schwankenden, wellenartigen Bewegung einer Menge Menschen gesagt. Das Wort ist ein feierlicher Ausdruck, der nur im edelsten Stile gebräuchlich ist; namentlich wird es von einer Menge gebraucht, die nach heiligen Orten (Wallfahrten) oder sonst zu Gebet und Buße sich begibt. „Ich wollte gern hingehen mit dem Haufen und mit ihnen wallen zum Hause Gottes.“ Psalm 42, 5. — Ähnliche Ausdrücke sind wallfahrten und pilgern, die von einem Wandern nach heiligen Orten gebraucht werden, und zwar mit dem Unterschied, daß wallfahrten gewöhnlich auf eine wandernde fromme Schar sich bezieht, pilgern dagegen in der Regel von einem einzelnen Pilger gesagt wird. Doch kann wallfahrten auch von einem einzelnen gebraucht werden, wobei jedoch immer der Ort, nach dem er seine Wallfahrt unternimmt, zugleich als das Ziel vieler frommer Pilger dargestellt wird, so daß dabei wiederum an die Menge gedacht ist, die dort zusammenströmt, während pilgern nur die Wanderschaft, eigentl. das Hinübergehen in ein fremdes Land (Pilger, lat. peregrînus = der Fremde) bezeichnet.