639. Garstig¹⁾. Häßlich²⁾. Scheußlich³⁾. Gräßlich⁴⁾.
Häßlich (eig. Haß erregend) ist ein Gegenstand, der in ästhetischer Hinsicht unangenehme Empfindungen erregt (Gegensatz schön). Das Mißfallen, welches das Häßliche wirkt, ist nicht so stark, als das, welches das Garstige (eig. das Faulige, Stinkende, von Garst, d. i. Geruch von verdorbenem Fleisch, Gestank, mhd. garst, Adjekt., ranzig, verdorben schmeckend, niederl. garstig, unschmackhaft, faul; so sprach man früher von garstigem Fleische, garstiger, d. i. ranziger Butter usw.) wirkt. Scheußlich (eig. das, was ein Scheusal ist, was Abscheu, Ekel erregt, mit scheuen und scheuchen verwandt, mhd. das schûsel, Scheusal, Scheuche, die schiuze, auch der scheutz, Abscheu, Ekel, schiuzen, Abscheu empfinden) wird von Gegenständen gebraucht, die eine unangenehme Empfindung erregen, welche noch sinnlicher und heftiger ist, als die, welche durch das Häßliche und Garstige erregt wird. Einige wilde Völker in Nordamerika halten ein Todesfest, bei welchem sie ihre gefangenen Feinde erst verstümmeln und dann mit den ausgesuchtesten Martern eines langsamen Todes sterben lassen; das ist ein scheußlicher Anblick, von dem jeder gefühlvolle Mensch mit Schauer seine Augen wegwendet. Im vorigen Jahrhundert war neben scheußlich auch ein jetzt nicht mehr übliches Adjektivum scheusälig mit derselben Bedeutung in Gebrauch. „Scheusäligstes Gesicht im Himmel und auf Erden“. Zachariä. „Sein scheusäliges Haupt pechschwarz in Dunkel gehüllet.“ Voß. Gräßlich (vgl. Art. 470) bezeichnet einen Gegenstand, der den höchsten Grad des sinnlichen Abscheus erregt. Dieser ist das Grausen oder das krampfhafte Zusammenziehen der Haut, den Kälte oder Frost, dann aber auch heftige Furcht oder heftiger Abscheu verursachen. Der Anblick eines Toten, der schon mehrere Wochen im Grabe gelegen hat, und an dem schon Verwesung und Würmer ihre Verheerungen angefangen haben, ist gräßlich. Man wollte den Medusenkopf als gräßlich bezeichnen, wenn man sagte, daß sein bloßer Anblick versteinere. Das Häßliche erweckt keine Liebe, das Garstige erregt Ekel, das Scheußliche Abscheu, das Gräßliche Grausen. Dem Häßlichen nähert man sich nicht, vor dem Garstigen verschließt man die Sinne, von dem Scheußlichen wendet man sich weg und flieht, vor dem Gräßlichen erstarrt man, sein Anblick wirkt so heftig, daß er die Bewegung der Glieder hemmt. „Häßlich soll schön, schön häßlich sein!“ Schiller, Macbeth I, 1. „Denn zuletzt ist unerläßlich, | daß der Dichter manches hasse, | was unleidlich ist und häßlich, | nicht wie Schönes leben lasse.“ Goethe, West-östl. Div., Buch des Sängers, Elemente. „Wenn es doch nur einen Schleier hätte, das garstige Laster, sich dem Auge der Welt zu entstehlen.“ Schiller, Räuber I, 3. „Und alles bild’ ich nach genau | und kleid’ es in ein scheußlich Grau.“ Schiller, Kampf mit dem Drachen. „Rings umgeben | von gräßlicher Gefahr.“ Goethe, Tasso II, 2.