657. Gedeihen¹⁾. Zunehmen²⁾. Wachsen³⁾.
Zunehmen bezeichnet Vermehrung überhaupt, mag sie durch eine von innen wirkende Kraft oder durch ein bloßes Ansetzen von außen geschehen (Gegens. abnehmen); es wird sowohl von organischen, als auch von unorganischen Dingen gebraucht. Steine, Zahlen, Haufen usw. nehmen zu, wenn sie größer werden. In einer Krankheit nehmen der Umfang wie die Kräfte des Körpers ab, in der Genesung nehmen beide zu. Gedeihen (von ahd. dîhan, d. i. Körperlichkeit und Gestalt gewinnen, Fortgang haben) bezeichnet nicht eine bloße Vermehrung und Vergrößerung, sondern eine Entfaltung und Entwicklung des ganzen Dinges in allen seinen Teilen, nach allen Seiten hin, die durch eine im Innern desselben wirkende Kraft hervorgebracht wird, es wird also nur von organischen Dingen gebraucht, z. B. Pflanzen, Kinder, junge Tiere usw. gedeihen. Wachsen dagegen bedeutet zunächst bloß eine Vergrößerung des Umfangs, aber auch nur eine solche, die von innen heraus geschieht; es wird also zunächst auch nur von organischen Dingen gebraucht. Das Wachsen ist ein Teil des Gedeihens, aber gedeihen sagt noch mehr. Ein Kind kann z. B. rasch größer werden, aber dabei elend und kränklich aussehen; dann wächst es wohl, aber es gedeiht nicht. Außerdem wird wachsen auch auf solche unorganische Dinge übertragen, die durch ein stetiges Fortschreiten vergrößert werden. Man sagt: das Wasser ist sehr gewachsen, weil sein Zunehmen stetig ist; nicht aber: das Ungeziefer wächst täglich auf dem Felde, statt nimmt täglich zu, weil seine Vermehrung nicht in einem stetigen Fortschreiten geschieht. Ebenso sagt man eine Zahl, ein Raum usw. wächst, wenn die Vergrößerung derselben allmählich durch regelmäßiges Hinzubringen neuer Teile geschieht. Dagegen sagt man nie: Eine Zahl oder ein Raum gedeiht. Gedeihen wird nur auf solche Dinge übertragen, die inneres Leben und eine innere Entwicklung haben, z. B. eine Wissenschaft, eine Kunst usw. gedeiht. (Der Gebrauch von gedeihen in der Bedeutung aufquellen auch von Unorganischem ist veraltet; früher sagte man auch: Der Teig, das Mehl gedeiht; das ist jetzt höchstens noch landschaftlich in Gebrauch.) Wenn ein Staat gedeihen soll, so muß seine Bevölkerung an tätigen und brauchbaren Menschen zunehmen und wachsen; denn in diesen besteht seine wahre Kraft.