663. Gefängnis¹⁾. Kerker²⁾.
Gefängnis kann einen jeden Ort bedeuten, an dem sich jemand als Gefangener befindet und den er nicht verlassen kann. Die Staatsgefangenen selbst auf den Festungen haben ihre besondern Gefängnisse, die aber keine Kerker, sondern gewöhnliche Wohnzimmer sind, ja bisweilen Häuser mit Gärten, von Mauern umschlossen. Ein Kerker (lat. carcer) ist der enge Raum, in den ein Gefangener eingesperrt wird. Während Gefängnis bloß die Beraubung der Freiheit andeutet, treten in dem Begriff Kerker die schauderhaften Züge der Abgeschlossenheit von Menschen, vielleicht von der Oberfläche die Erde und dem erfreuenden Anschauen des Himmels hinzu, sowie alles Ungemachs der Einsamkeit, der Hilflosigkeit, der Entbehrung gewöhnlicher Bequemlichkeiten und Bedürfnisse des Lebens, nebst allen empörenden Zügen der Unreinlichkeit und des Schmutzes und alles dessen, was die Sinne beleidigen kann. Die Humanität verbietet, daß Gefängnisse Kerker seien. — Auch in übertragener Bedeutung ist Kerker ein stärkerer Ausdruck als Gefängnis. „Auch um mich, der, endlich entflohn des Zimmers Gefängnis usw.“ Schiller, Spaziergang. „Weh! Steck ich in dem Kerker noch? | Verfluchtes dumpfes Mauerloch!“ Goethe, Faust I, Nacht, Studierzimmer. Sinnverwandt sind ferner noch die Ausdrücke: Zelle, Haft, Einzelhaft, Gewahrsam, Loch, Verlies, Karzer, Arrest, Kasematte. Zelle ist das lat. cella und bezeichnete ursprünglich den engen Wohnraum für Mönche in den Klöstern. Später wurde der Ausdruck auch auf den engen Raum übertragen, in dem ein Gefangener eingeschlossen wird. Zelle bezeichnet nur den Raum, während Gefängnis, Kerker, Haft, Arrest, Karzer noch die Strafe bezeichnen. Haft nennt man das vorläufige Festsetzen eines Verdächtigen; die Haft geht der Verurteilung voraus, z. B. Untersuchungshaft; er wurde nach zweimonatlicher Untersuchungshaft; zu einem Jahre Gefängnis verurteilt; oder: er wurde nach kurzer Haft freigesprochen. Die Polizei nahm den Ruhestörer in Haft, verhaftete ihn. Einzelhaft ist die Trennung eines verhafteten Verdächtigen von den übrigen Verhafteten, oder die Abschließung aller Verhafteten voneinander, z. B. damit sie sich nicht vor dem Verhör besprechen können. Gewahrsam ist ein verhüllender Ausdruck für Haft oder Arrest. Die Polizei nahm den Ruhestörer in Gewahrsam. Es drückt aus, daß der Schuldige oder Verdächtige so lange verwahrt wird, bis sein Vergehen gesühnt (z. B. durch eine Polizeistrafe, Geldstrafe usw.) oder sein Name festgestellt ist usw. Loch ist ein derber Volksausdruck für Gefängnis, z. B. Er muß ins Loch. Das Wort bezeichnet ein enges Gefängnis der schlechtesten Art. „Ins Loch mit dem Hund!“ Schiller, Räuber I, 2. Noch stärker ist der Ausdruck Hundeloch. Loch war früher auch amtliche Bezeichnung, gehört jetzt aber nur noch der niedrigen Sprache an. Verlies, gewöhnlich Burgverlies, ist ein unterirdisches Gefängnis, in das die Gefangenen hinabgelassen wurden. Weil sie dort voraussichtlich ganz verloren waren, wurde der Ort Verlies (von althochd. firliosan, mittelhochd. verliesen, d. i. verlieren) genannt. — Der Arrest (mittellat. arrestum, von ad und restäre, d. i. bleiben) ist eine fremde Bezeichnung für Haft; der Arrest kann sich jedoch auf Personen oder Sachen beziehen. Eine Person kann z. B. Stubenarrest, Hausarrest usw. zudiktiert erhalten oder von einem Polizisten arretiert, d. h. in Arrest abgeführt, verhaftet werden. Aber auch auf Geld und Gut kann Arrest gelegt werden, d. h. sie können gerichtlich mit Beschlag belegt werden. Karzer (lat. carcer, Gefängnis) bezeichnet lediglich das Schulgefängnis auf höheren Schulen und Universitäten. Eine Kasematte (frz. casemate, it. casamatta, d. i. eigentl. verdecktes Haus, von it. casa, Haus, und matto, verdeckt, dunkel) ist ein unter dem Walle einer Festung befindliches bombenfestes Gewölbe, das der Besatzung als Zufluchtsort, häufig auch zur Aufbewahrung der Kanonen dient; zuweilen wurden darin auch Gefangene verwahrt.