711. Gipfel¹⁾. Wipfel²⁾. Spitze³⁾.
Gipfel (spätmhd. der gipfel, zu mhd. gupf, gupfe [Nebenform zu Kuppe], d. i. Spitze) bezeichnet allgemein den obersten Teil eines emporragenden Körpers ohne alle weiteren Nebenbegriffe, z. B. Gipfel eines Berges, eines Baumes, eines Schiffsmastes usw.; Wipfel (ahd. der wipfil, mhd. wipfel, Baumspitze, eig. etwas, was sich schwingend oder schaukelnd bewegt, mit mhd. wipf, Schwung, rasche Bewegung, sowie mit wippen, auch mit ahd. weibôn, schwanken, schweben, und lat. vibrare, schwingen, derselben Wurzel entsprossen) dagegen bedeutet nur den höchsten Teil eines Baumes. Eine Spitze kann auch ein Körper haben, der nicht hoch emporragt; denn Spitze bezeichnet überhaupt denjenigen Punkt eines Körpers, in welchem sich alle Seitenflächen desselben mit steiler Neigung gegeneinander vereinigen, z. B. Messerspitze, Nadelspitze, Fingerspitze usw. Auf den obersten Teil hochragender Körper wird daher dieser Name nur dann angewendet, wenn die Seiten derselben sich sehr steil gegeneinander neigen, z. B. Turmspitze, Bergspitze usw. „Über allen Gipfeln | ist Ruh, | in allen Wipfeln | spürest du | kaum einen Hauch.“ Goethe, Wanderers Nachtlied. Dichter sprechen zuweilen auch von „des Berges Wipfel“ (z. B. Goethe, Rückert u. a.); sie denken sich dann die Berge belebt und beweglichen Hauptes. — Im uneigentlichen Gebrauche bedeutet Gipfel allgemein das Höchste, was erreicht werden kann, z. B. Gipfel des Ruhmes, der Ehre usw., Wipfel wird in übertragener Bedeutung nur selten gebraucht und bezeichnet dann eine schwankende Höhe. Herder spricht einmal vom „Wipfel, auf welchem der Römer Reich stand.“ (Briefe üb. Horaz, V.)