696. Gering¹⁾. Schlecht²⁾.
Durch den Mangel an Vorzügen und schätzenswerten Eigenschaften erhält ein Ding einen kleinern Wert, und man nennt es gering (eigentl. leicht, unbedeutend, mhd. ringe, leicht, behende, unbedeutend, klein; Gegens. ansehnlich, wertvoll, kostbar), aber nur dann erst heißt es schlecht (Gegens. gut), wenn ihm Wesentliches und Nötiges fehlt und es dadurch unbrauchbar oder unangenehm und schädlich wird. Schlechte Speise ist solche, die unschmackhaft, nicht nahrhaft, auch wohl ungesund ist; geringe Speise ist solche, die nicht kostbar ist. Schlecht hatte anfangs eine gute Bedeutung, die jetzt noch in schlicht und in schlecht und recht fortlebt; mhd. slëht hieß so viel wie: eben, gerade, glatt. Die gute Bedeutung schlug aber bald in eine schlimme um (ähnlich wie bei einfältig, albern, vgl. diese Art.), und diese ungünstige Bedeutung hat gegenwärtig die ursprüngliche gute völlig verdrängt. Schlecht wird auch auf den moralischen Wert übertragen, gering nicht. Es würde manchmal zu sehr schädlichen Anschauungen führen, wenn man schlecht und gering miteinander verwechseln und z. B. geringe und schlechte Leute für einerlei halten wollte. Denn geringe heißen sie bloß nach ihrem Stande und bürgerlichen Werte; sie können aber einen größern moralischen Wert haben, brauchbarere Menschen sein, und sind es wirklich, wenn sie rechtschaffen sind, als schlechte Menschen aus den höhern Ständen. — Auch der Ausdruck geringfügig gehört hierher. Er hebt den Umstand, daß ein Ding von niedrigem Werte oder ohne erhebliche Bedeutung ist, noch nachdrücklicher hervor als gering. Während aber gering von Personen und Sachen gebraucht wird, sagt man geringfügig nur von Sachen. Leute von niederem Stande kann man daher wohl geringe, niemals aber geringfügige Leute nennen. Dagegen spricht man von einem geringfügigen Umstande, der bei einer Untersuchung nicht ins Gewicht fällt, von einer geringfügigen Änderung, die man in einem Berichte wünscht usw. Während gering häufig auch bloß die niedrige Zahl andeutet, geht geringfügig immer auf den Wert und die Bedeutung. So bedeutet z. B. der Ausdruck: „Dem Feldherrn stand nur ein geringes Heer zur Verfügung“ soviel wie: Das Heer war nicht stark an Zahl. Ein geringfügiges Heer dagegen würde ein solches sein, dessen Truppenmaterial zugleich von geringem Werte wäre, oder es würde mit diesem Ausdrucke wenigstens zugleich gesagt sein, daß das Heer wegen seiner schwachen Truppenzahl für den Feldzug ohne Bedeutung sei.