549. Falschheit¹⁾. Verstellung²⁾.
Wer sich verstellt, der verbirgt sein Inneres unter einem angenommenen äußern Scheine; der Falsche tut dieses, um zu betrügen und durch Betrug zu schaden. Die Verstellung ist also an sich weder eine Tugend noch ein Laster; sie ist eine Wirkung des Verstandes, nicht eine Eigenschaft des Herzens. Man sagt: die Kunst sich zu verstellen, aber nicht: die Kunst falsch zu sein. Der Falsche verstellt sich, aber wer sich verstellt, ist nicht immer falsch. Eine Verstellung kann zum Scherze, zur Erzielung einer Kunstwirkung, zur Vereitelung eines bösen Vorhabens usw. stattfinden. „Der Baron spielt die Rolle des Edelmanns, der von seinem Stande abfällt und zum Volke übergeht. Durch seine schelmische Verstellung werden die andern gelockt, ihr Innerstes hervorzukehren.“ Goethe, Die Aufgeregten III. Die Höflichkeit und die gute Lebensart erfordern bisweilen einige Verstellung; sie ist also zum Bestehen der Gesellschaft und zur Anmut der Geselligkeit unentbehrlich; die Falschheit ist immer verderblich. „Dort, wo die Falschheit und die Ränke wohnen, | hin an den Kaiserhof will man mich ziehn.“ Schiller, Tell III, 2.