553. Fastnacht¹⁾. Fasching²⁾.
(Karneval)
Fastnacht, d. i. ursprünglich Fasnacht. Unsere Vorfahren rechneten anfangs nach Mondjahren; denn die veränderte Gestalt des Mondes gab den ersten Anhalt für die Jahreseinteilung. Man begann beim Mondjahr den Tag mit dem Mondaufgang, also mit dem Abend, und nannte daher den ganzen Zeitraum von vierundzwanzig Stunden nach der ersten, dunkeln Hälfte wie diese selbst Nacht, so wie wir jetzt diesen Zeitraum von 24 Stunden, da wir den Tag mit dem Sonnenaufgang beginnen, nach der ersten, hellen Hälfte wie diese selbst Tag nennen. Wie wir also das Wort Tag gegenwärtig in doppelter Bedeutung haben, nämlich 1. Zeitraum von 24 Stunden; 2. die helle Hälfte dieses Zeitraums, so hatten unsere; ältesten Vorfahren das Wort Nacht in doppelter Bedeutung, nämlich 1. Zeitraum von 24 Stunden; 2. die dunkle Hälfte dieses Zeitraums. Sie sagten also nicht: „Der Monat hat 30 Tage“, oder „Die Woche hat sieben Tage“, wie wir jetzt, sondern: „Der Monat hat 30 Nächte, und die Woche hat sieben Nächte“. Von dieser alten Benennungsweise sind als Reste in unserer Sprache noch die zwölf Nächte, d. i. Tage geblieben, Weihnachten, d. i. der heilige Tag, und Fasnacht, d. i. der Pastag, der Tag, an dem man herumfaste, d. i. schwärmte. Es kommt her von dem alten deutschen Zeitwort fasen, althochd. fasôn, d. h. umherirren, umherschwärmen, Unsinn treiben, wovon unser faseln abgeleitet ist. Fasnacht war ursprünglich ein altgermanisches Opferfest, bei dem man festliche Umzüge hielt. Diese arteten später in allerlei tollen Putz und in Vermummung aus, womit sich Spaß und Scherz allerlei Art verband. Fasnacht ist also eigentlich der Tag des Umherschwärmens. Christliche Prediger verwandelten bei der Bekehrung unserer Vorfahren dieses heidnische Fest in ein kirchliches und bezogen es aufs Fasten. Sie machten daher aus Fasnacht Fastnacht und deuteten es als die letzte Nacht vor dem Fasten, wo man sich noch einmal gütlich tun konnte, den Vorabend vor der Fastenzeit, wie jedem Sonntag ein solcher Vorabend, der Sonnabend, voraufging und jedem großen Feste ein sogenannter heiliger Abend. Das Fasten begann aber mit dem Aschermittwoch, und daher versteht man unter Fastnacht im engeren Sinne auch den vorhergehenden Dienstag, den Fastnachts-Dienstag. Fasching ist nur die österreichische und bay- rische Bezeichnung für Fastnacht. Fastnacht bezeichnet sowohl die Zeit als solche und ist daher der kalendergemäße Ausdruck, als auch das lustige Treiben (Fastnachtscherze usw.), Fasching aber bezeichnet nur die tolle Lustigkeit, durch die man die Fastnachtszeit zu begehen pflegte, ähnlich wie der Ausdruck Karneval (von ital. la carne, das Fleisch, das auf lat. caro, Gen. carnis, Fleisch, zurückgeht, und der vale, d. i. Abschied, Lebewohl, also: Abschied vom Fleisch, lat. carnelevamen; doch erklärt man es auch aus dem ital. la carne vale: das Fleisch gilt, herrscht jetzt, ist noch einmal der Gebieter). In Mailand heißt der große, um acht Tage verlängerte Nachkarneval Carnevalóne, in Florenz der kleine Nachkarneval, der nur noch einen Tag, nämlich den Aschermittwoch den Fasten entzieht, Carnevalino. Da das Wort Karneval kirchlichen Ursprungs ist, so ist die Herleitung aus heidnischen Bräuchen, nämlich von dem carrus navalis, d. i. dem Schiffswagen der Göttin Nerthus, der an diesem Tage herumgeführt wurde, abzulehnen.