560. Fehler¹⁾. Mangel²⁾. Gebrechen³⁾.
Vgl. Art. 557. Mangel ist die Abwesenheit von etwas Nötigem oder Gutem (negativ), Fehler hingegen die einem Dinge anhaftende Unvollkommenheit (positiv). Eine Mühle geht nicht, wenn sie einen Mangel an Wasser hat; sie würde aber auch nicht gehen, wenn sie den Fehler hätte, daß das Wasserrad zu hoch stünde, so daß der Strom die Schaufeln desselben nicht berühren könnte. Ein Mangel an Urteilskraft ist oft schuld daran, daß ein Mensch in der Gesellschaft viele Fehler begeht. „Meine Rubriken bezeichnen nur Einseitigkeiten, welche als Mängel anzusehen sind, wenn die Natur den Künstler dergestalt beschränkte, als Fehler, wenn er mit Vorsatz in dieser Beschränkung beharrt.“ Goethes Propyläen. Wenn an einem Werke eine Unvollkommenheit ist, so ist diese Unvollkommenheit selbst ein Fehler, aber zugleich gibt man sie auch dem Urheber als einen Fehler schuld; denn eine Unvollkommenheit in der Wirkung setzt eine Unvollkommenheit in der Ursache voraus. Man sagt: Die Sache hat einen Fehler, und der Urheber derselben hat einen Fehler begangen, daß er sie nicht anders geschaffen hat. Die Sache verfehlt ihren Zweck, und der Urheber hat seine Absicht verfehlt. Gebrechen sind empfindliche Fehler und Mängel, und man versteht darunter zunächst die hartnäckigen äußern Übel an einem Teile des menschlichen Leibes, die den Menschen zu manchen notwendigen Verrichtungen untüchtig machen, wenn sie auch nicht immer schmerzhaft sind; man nennt sie oft ausdrücklich Leibesgebrechen. „Zur selbigen Stunde | war er von aller Krankheit befreit und allen Gebrechen.“ Goethe. Ein Fleck oder eine Narbe sind Fehler, und Zahnlücken sind Mängel, die ein schönes Gesicht entstellen; ein Kropf, ein lahmer Fuß, eine lahme Hand u. dgl. sind Gebrechen, weil sie nicht bloß der Schönheit schaden, sondern auch beschwerliche Übel sind und zu den nötigen Bewegungen ungeschickt machen. Es beweist allemal einen Mangel an Gefühl und Takt, wenn man einen Menschen wegen seiner Gebrechen lächerlich zu machen sucht; die einzigen Fehler, die ein guter Mensch zum Gegenstande seines Spottes macht, sind die, welche jemand aus Ziererei begeht.