588. Frau¹⁾. Weib²⁾.
Weib bezeichnet bloß das Geschlecht (Gegens. Mann), Frau (ahd. frouwa, mhd. vrouwe, d. i. Herrin, ein Femininum zu ahd. frô, Herr) bezeichnet aber zugleich den Stand mit (Gegens. Herr). Im katholischen Kultus heißt Maria schlechthin: Unsere liebe Frau, d. i. Herrin. Früher wurden mit dem Namen Frau nur Edle und Vornehme bezeichnet, nach und nach ist jedoch der Name auch auf die weiblichen Glieder geringerer Stände, ja bis zu den geringsten Ständen hinab ausgedehnt worden; denn auch die geringste hat ihren Kreis, in welchem sie gebietet, als Hausfrau, d. i. Herrin des Hauswesens, Ehefrau usw. In Anreden und Titeln wird Frau (nicht Weib) verwendet, genau wie beim männlichen Geschlechte Herr (nicht Mann) gebraucht wird. — In der Schriftsprache werden Frau wie Weib als gleich edle Ausdrücke ohne Unterschied von verheirateten wie von unverheirateten Gliedern des andern Geschlechts gebraucht, in der Umgangssprache dagegen bezeichnen Frau und Weib nur verheiratete Personen, im Gegensatz zu Mädchen und Jungfrau; auch als Titel wird Frau nur Verheirateten gegenüber angewendet, Unverheiratete werden mit Fräulein angeredet. Ferner gilt in der Umgangssprache Weib für niedriger als Frau; man spricht von einem alten, häßlichen, keifenden, zänkischen Weibe, von einem Bettelweibe, Waschweibe usw. Als gemeinschaftliche Bezeichnung für verheiratete und unverheiratete Frauen hat man in der Umgangssprache außer den wenig guten Ausdrücken Frauenzimmer und Frauensperson, die bloß auf Personen niedrigen Standes angewendet werden, nur das aus dem Französischen entlehnte Dame (lat. domina); doch werden hier und da Versuche gemacht (und zwar in den besten Gesellschaftskreisen), Frau dafür einzubürgern, und man kann z. B. statt des bei Festlichkeiten üblichen Trinkspruches auf die Damen zuweilen auch einen Toast auf die Frauen (der auch die Jungfrauen mit meint) hören; es ist das eine erfreuliche Erscheinung. Während die Ausdrücke Frauenzimmer und Frauensperson, wenn sie auch nur auf Personen geringen Standes angewendet werden, doch nichts Unwürdiges enthalten, sind die Bezeichnungen: Weibsperson, Weibsbild, Weibsstück und Weibsen durchaus niedrige Ausdrücke. Am wenigsten geringschätzig klingt noch Weibsperson, während Weibsbild (mhd. daz wtbes bilde, früher im höchsten und edelsten Sinne gebraucht) eine im höchsten Grade geringschätzige, Weibsstück geradezu eine beschimpfende Benennung ist. Weibsen (zusammengezogen aus wîbes name, einer edlen Bezeichnung, wo name soviel bedeutete wie Wesen, Bild, Urbild; Gegensatz: Mannsen, aus mannes name) ist wie Mannsen ein landschaftlicher Ausdruck von niedrigem Klange, der in der Schriftsprache nicht gestattet ist. „Und ich fühlte mich ein Mannsen, | ich gedachte meiner Pflicht, | und ich hieb dem langen Hansen | gleich die Schmarre durch’s Gesicht.“ Goethe, Rechenschaft. „Aber denken Sie, die guten Weibsen bringen mir das Garn dafür wieder und verlangen kein Spinnegeld.“ Justus Moser, Patriotische Phantasien II. Für Frau und Weib in der Bedeutung Ehefrau, Eheweib sind auch die Ausdrücke Gattin und Gemahlin im Gebrauch. Gemahlin ist der höchste und gewählteste Ausdruck zur Bezeichnung der Ehefrau, er hat einen feierlichen Klang. So spricht man von einem Fürsten und seiner Gemahlin; in gewählter Umgangssprache wird das Wort mit Vorliebe verwendet. „Wie befindet sich Ihre Frau Gemahlin?“ Gattin steht dem Ausdruck Gemahlin am nächsten; das Wort bezeichnet die Ehefrau vor allem als die treu gesellte und innig verbundene (vgl. Art. 644). Ehefrau bezeichnet schlechthin die Frau als die mit dem Manne durch die Ehe verbundene und ist der amtlich-kirchliche Ausdruck, — Während Gattin, Gemahlin und Ehefrau nur die Frau als verheiratete bezeichnen, werden Frau und Weib auch von dem weiblichen Geschlecht überhaupt gebraucht. Schon im Mittelalter stritten unsere Dichter darüber, ob Frau oder Weib der edlere Ausdruck sei. So wird uns von dem Streite Heinrich Frauenlobs und Regenbogens berichtet (Hagens Minnesinger II, 345 b. f.). Walther von der Vogelweide gibt dem Namen Weib den Vorzug: „Wîb muoz iemer sîn der wîbe höchste name | und tiuret baz dan frowe, als ichz erkenne.“ Lachm. 48, 38. Gegenwärtig haben beide Ausdrücke in dichterischer Sprache völlig gleichen Rang; man spricht ebenso gut von einem hohen, herrlichen Weibe, wie von einer hohen, herrlichen Frau, nur daß Weib mehr die Gattung, die Natur, das Körperliche, Frau das Einzelwesen, die Stellung, das Geistige betont. „Gebildete Frau bezieht sich auf den Geist, schön gebildetes Weib auf den Leib.“ Grimm, Wb. IV, 1, 75. Alles, was auf die Natur der Frauen Bezug hat, nennt man weiblich oder, in üblem Sinne, weibisch. „Alle Gesetze sind von Alten und Männern gemacht. Junge und Weiber wollen die Ausnahme, Alte die Regel.“ Goethe, Spr. i. Pr. 481. „Und dieses Weib ist meine Frau.“ Ders., Stella IV. „Hier beantwortet ein Mann die Frage durch eine Männin. Ganz anders würde eine geist- und gefühlvolle Frau sie durch ein Weib beantworten lassen.“ Goethe, Recens. über „Bekenntnisse einer schönen Seele, Melanie, das Findelkind, und Wilhelm Dumont.“ Jen. Allg. Litt. Zeit. Nr. 167, 16. Juli 1806. „Männer richten nach Gründen; des Weibes Urteil ist seine | Liebe; wo es nicht liebt, hat schon gerichtet das Weib.“ Schiller, Weibliches Urteil. „Aber mit sanft überredender Bitte | führen die Frauen den Scepter der Sitte.“ Ders., Würde der Frauen. — Von Frau ist der Plural ebenso gebräuchlich und ebenso edel, als der Singular, von Weib hat nur der Singular edlen Klang, der Plural Weiber klingt immer niedrig und wird in hoher dichterischer Sprache nicht verwendet. — Frau dient auch zur Bezeichnung der Maria, der Mutter Gottes, die im Mittelalter unsere liebe Frau (d. i. Herrin, frz. notre dame) genannt wurde, eine Benennung, die noch in alten Formeln und Zusammensetzungen fortlebt, z. B. die Kirche unserer lieben Frau, Frauenkirche, Liebfrauenmilch, usw. Frauenzimmer, das heute nur noch einen niedrigen Klang hat und daher nur auf Personen der niedrigsten Volksklassen angewendet und gewöhnlich mit einem beleidigenden Beiworte verbunden wird, z. B. liederliches, dummes, dreistes, albernes, freches, unverschämtes Frauenzimmer usw., bezeichnete in der älteren Sprache ursprünglich das Gemach für Frauen, besonders auch den Harem oder den weiblichen Hofstaat. „Und der König bestellte Schauer in allen Landen seines Königreichs, daß sie allerlei junge schöne Jungfrauen zusammenbringen gen Schloß Susan ins Frauenzimmer."' Esther 2, 3. Noch Wieland sagt, wie Heyne in seinem Deutschen Wörterbuch beibringt, im Sommermärch. 1, 256: „Das Fräulein blieb indessen im Frauenzimmer der Königin.“ Von dem Gemach für Frauen wurde der Ausdruck zunächst auf eine Gesamtheit von Frauen übertragen, anfangs nur auf Hofdamen (z. B. „Vielleicht finden Sie bei meinem Frauenzimmer Zerstreuung?“ d. i. bei meinen Damen. Schiller, Fiesco I,7), später auch auf andere Frauen. Endlich übertrug man den Begriff auf einzelne weibliche Personen, und zwar anfangs als Ehrenbezeichnung, dann als allgemeine Benennung weiblicher Personen, ohne Rücksicht darauf, ob sie verheiratet oder unverheiratet waren, wie unser heutiges Dame. Den Übergang von der Benennung einer Gesamtheit von Frauen zur Bezeichnung einer einzelnen Person zeigt eine Stelle bei Lessing, Hamburgische Dramaturgie, 35. Stück, recht deutlich: „Er wollte uns zeigen, was die Gefälligkeit über das Frauenzimmer (d. i. hier also die Gesamtheit) überhaupt vermag; er nahm also eines der wildesten (d. i. hier also eine bestimmte einzelne Person), unbekümmert, ob es eine solche Gefälligkeit wert sei oder nicht.“ — „Frauenzimmerchen! Frauenzimmerchen!“ sagt in Lessings Minna von Barnhelm (III,4) der Wachtmeister Paul Werner in zärtlicher Verehrung zu Franziska, der Kammerzofe Minnas. „(Die Änderungen) betrafen einige Stellen, die freilich mehr auf Gretehens Zustand als auf den jenes Frauenzimmers paßten, das von gutem Hause, wohlhabend, in der Stadt bekannt und angesehen war.“ Goethe, Dicht. u. Wahrh. I, 5. Buch. Das Herabsinken des Wortes zu dem geringschätzenden und verächtlichen Nebensinne, der heute damit verbunden ist, hat sich erst im vorigen Jahrhundert vollzogen.