209. Aussprache¹⁾. Mundart²⁾. Dialekt³⁾. Idiom⁴⁾.
Jetzt, da die bekanntesten Sprachen geschrieben werden, kann man die Mundarten auch an anderen Merkmalen, als an der Aussprache erkennen. Dahin gehören solche Wörter, die einigen Landschaften eigen sind, als: Stecknadel in Obersachsen, Spendel in Niedersachsen, Guffe in der Schweiz, die alle einerlei Sache bedeuten. An diesen Eigenheiten kann man daher auch die Mundart des Schriftstellers erkennen, dessen Aussprache wir nie gehört haben. Die Mundart ist also die Sprache einer einzelnen Landschaft in allen ihren Teilen und Bestimmungen, sofern sie sich von einer andern, die mit ihr zu der Hauptsprache einer ganzen Nation (wie bei uns das Hochdeutsche) gehört, unterscheidet; die Aussprache ist nur das Unterscheidende der Mundart in dem Laute. Die niederdeutsche Mundart unterscheidet sich von der oberdeutschen nicht allein durch ihre Lautverhältnisse, Wörter, Wortfügungen usw., sondern auch durch ihre Aussprache. So wie es also eine niederdeutsche Mundart gibt, so gibt es auch eine niederdeutsche Aussprache. — Für Mundart gebraucht man häufig auch das Fremdwort Dialekt. Doch wird zuweilen zwischen beiden Wörtern der Unterschied gemacht, daß man bei Mundart vorwiegend an die lautliche Seite denkt, an das, was gesprochen wird, während man unter Dialekt die geschriebene Mundart, die literarische Verwendung derselben versteht. So waren das Mitteldeutsche, das Niederdeutsche und Alemannische in der Zeit, als sie eine ausgedehntere literarische Verwendung fanden, Literaturdialekte im Gegensatz zu der hochdeutschen Schriftsprache. „Das Mittelhochdeutsche kann man vom Mitteldeutschen kurz als eine Literatursprache von einem Literaturdialekt unterscheiden.“ Socin, Schriftsprache und Dialekte. Das griechische Wort Idiom (vollständige Form: Idioma; von griech. idios, a, on, eigentümlich, eigen) bezeichnet überhaupt jede Spracheigenheit und Spracheigentümlichkeit, dann die Summe dieser Spracheigentümlichkeiten innerhalb einer Sprache, daher dann auch die Volkssprache, die Mundart in ihrer Eigenheit. Das Idiom ist, wie schon sein gelehrter Ursprung beweist, lediglich ein technischer Ausdruck der Sprachwissenschaft und legt den Nachdruck auf die besonderen Spracheigenheiten der Volkssprache, sowie im allgemeineren Sinne jede eigentümliche selbständige Sprache.