118. Anstand¹⁾. Betragen²⁾.
Anstand (v. anstehen, eig. das Kleid steht mir an, d. i. schließt sich gut an den Körper an) geht auf die Haltung eines Menschen, sein Stehen, Gehen, Sitzen, überhaupt die Art, wie er sich durch den Stand seines Körpers den Augen darstellt. Betragen geht auf seine Handlungen, sofern er dadurch gute oder schlechte Gesinnungen, wohlwollende oder übelwollende Neigung, Feinheit des Geschmackes und der Empfindung oder das Gegenteil davon ausdrückt. Ein artiger und guter Anstand fällt gleich in die Augen; ein artiges Betragen entdeckt man an einem Menschen erst nach und nach, man wird es erst durch den Umgang mit ihm gewahr. Bei dem Anstande kommt es auf die Erscheinung, bei dem Betragen auf den Willen an. Ein edler Anstand ist eine Stellung des Körpers, die neben Mut und Selbstvertrauen Bescheidenheit ausdrückt; ein edles Betragen sind Handlungen, die aus edlen Gesinnungen fließen. „Seine Kenntnisse und sein Betragen öffneten ihm (Narciß) den Weg in eine geschlossene Gesellschaft der würdigsten Männer“ (Goethe, Wilh. Meist. VI). „Die Pilgerin .... zeichnete sich an Körperbau, Gang und Anstand .... aus“ (Goethe, Wanderj. I,5).