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19. Abgefeimt¹⁾. Durchtrieben²⁾.

1) Crafty, astute.
Malin (roué).
Astuto.
2) Sly (sly boots).
Fin (rusé).
Scaltro.

Abgefeimt (von dem alten feim = Schaum; das alte Verbum abfeimen bedeutete abschäumen; ganz ähnlich gehört das Wort raffiniert zu franz. raffinier, d. i. läutern) bedeutet eigentlich abgeschäumt und bezeichnet entweder 1. die abgeklärte Masse oder 2. den abgeschöpften Schaum, den Abschaum, der weggeworfen wird. Diese letztere Bedeutung ist in den Vordergrund getreten (Luther nennt z. B. abtrünnige Glieder der Christengemeinde abgefeimte Christen, gleichsam den Abschaum der Christenheit), und gegenwärtig wird das Wort nur in übertragenem Sinne und nur noch zur Bezeichnung des höchsten Grades sittlicher Verworfenheit gebraucht, z. B. „Abgefeimte Bübin!“ (=Abschaum der Büberei: Schiller, Maria Stuart IV,5); abgefeimter Spitzbube; doch klingt die Bedeutung 1. noch mit herein, indem man dabei zugleich an einen in allen Künsten der Bosheit durch und durch vollendeten Menschen denkt, der die Bosheit gleichsam in abgeklärtem, raffiniertem Zustande zeigt. Neben abgefeimt kommt auch das Wort ausgefeimt vor, das ein noch stärkerer Ausdruck für denselben Begriff ist, z. B. „in ausgefeimter Falschheit“ (Auerbach). Früher gebrauchte man auch abgeschäumt in demselben Sinne wie jetzt abgefeimt, z. B. „der ein abgeschäumter Erzvogel war“ (Simplicissimus). — Durchtrieben wird gleichfalls gegenwärtig nur noch tadelnd und in übertragenem Sinne gebraucht; es bezeichnet einen, der in allen Schelmereien erfahren, der durch und durch listig ist. Während abgefeimt mehr die Bosheit hervorhebt, weist dieser Ausdruck mehr auf die Schlauheit hin, z. B. ein durchtriebener Bursche. Daher kann durchtrieben auch von harmlosen Neckereien gebraucht werden, und man sagt von einem Knaben, der bei solchen Neckereien List und Schlauheit zeigt: Es ist ein kleiner durchtriebener Bube. Durchtrieben ist das zweite Partizip von durchtreiben, in aktiver Bedeutung; mhd. durchtrîben, unser durchtreiben, heißt durchwandern, durchstreifen, in übertragener Bedeutung soviel wie: geistig durchdringen. Ein durchtriebener Mensch ist daher eigentlich ein solcher, der alles durchstreift, durchwandert hat und daher in allem von Anfang bis zu Ende bewandert ist; dazu tritt später von selbst die Bedeutung der durch Erfahrung und Leben gewonnenen List und Schlauheit.1 Ein durchtriebener Fuchs ist ein solcher, der jeden Schlupfwinkel und jedes Mittel, Jägern und Hunden zu entfliehen, kennt. „Poeten sind durchtriebene Füchse“ (Jean Paul, Flegeljahre). Durchtrieben kommt auch in passiver Bedeutung: durchdrungen von etwas (mit der Präposition mit im Mittelhochdeutschen) vor, z. B. gar durgdriben mit bôser list und erger dan (als) der dûvel (Teufel) ist (Der sunden widerstrît 572, 573 — ein mitteldeutsches Gedicht). Dasselbe, was das aktive Partizip durchtrieben ausdrückt, besagt die passivische Wendung: mit allen Hunden gehetzt. Diese Wendung ist ein starker, volksmäßiger Ausdruck für durchtrieben. Mit allen Hunden gehetzt ist eigentlich ein Fuchs, dem kein Hund von allen, mit denen er gehetzt wird, beizukommen vermochte, in übertragener Bedeutung ein Mensch, den niemand zu überlisten vermag, der namentlich auch bei seinen moralisch bedenklichen Unternehmungen dem Arme des Gesetzes zu entgehen weiß. Statt durchtrieben sagt man auch durchrieben; gebräuchlicher ist gerieben (auch abgerieben), Partizip zu reiben.2 Gerieben hebt namentlich hervor, daß jemand in allen Vorkommnissen des Lebens erfahren (vgl. lat. callidus) und dadurch schlau und listig geworden ist. So sagt man: ein geriebener Bursche, ein geriebener Kunde (wo Kunde in der allgemeineren Bedeutung Kerl, Kumpan u. ähnl. steht, wie denn Kunde landschaftlich, z. B. im Rheinlande, geradezu pfiffiger Kerl, loser Schalk, Gauner bedeutet; von einem, dem nicht zu trauen ist, sagt man hier in Dresden: das ist mir der rechte Kunde). „Ihre Hilfsmittel sind Durchtriebenheit und Abgeriebenheit“ (Rückert, Makamen des Hariri 2, 225). — Das Fremdwort raffiniert (eigentlich von Waren gebraucht: raffinierter Zucker, raffiniertes Brennöl usw.) bezeichnet überhaupt das übertrieben Ausgeklügelte und Verfeinerte, und man spricht sowohl von raffinierter Schlauheit, von einem raffinierten Betruge, Gaunerstreiche, als von raffinierten Genüssen, Martern, von raffiniertem Luxus u. a. Das Substantiv dazu ist Raffinement.


  1. Von chemischen Vorgängen, wie Sanders vermutet, ist das Wort nicht hergenommen.
  2. Das oberdeutsche die Rieb = Ränke steht hierzu nicht in Beziehung.