146. Arm¹⁾. Ärmlich²⁾. Dürftig³⁾.
Bedürftig⁴⁾.
Arm und dürftig würde jeder heißen, der nur so viel oder noch weniger Mittel hat, als zu den bloßen notwendigen Bedürfnissen des Lebens gehören. Da aber 1. der Genuß gewisser Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens auch den Stand bezeichnet, zu dem jemand gehört: so kann mancher schon darum arm heißen, weil es ihm an den Mitteln zu diesem Genusse fehlt. So pflegt man einen Edelmann schon einen armen Edelmann zu nennen, wenn er sich nicht einen Bedienten halten kann usw. „Nun war ich arm, als ich die Reichen kannte“ (Goethe, Nat. Tochter III,1). In dieser Bedeutung würde das Wort arm mit dürftig nicht einerlei sein. Denn dürftig ist derjenige, der wirklich weiter nichts als dasjenige hat, was im strengsten Verstande zu der Notdurft des Lebens gehört. Der eigentlich Dürftige hat gerade nur so viel, als er jeden Tag braucht, um sein Leben zu erhalten. „Wohl dem, der sich des Dürftigen annimmt“ (Ps. 41,2). 2. Wenn arm (aus dunkler Wurzel; ein Unglücklicher, „den man mitleidig, liebreich aufnimmt und in die Arme schließt“ [Grimm]. „Einer, der durch Arbeit seinen Unterhalt verdienen muß“ [Weigand]; Much stellt arm bei Meringer, Indogerm. Forschungen 18, 246, zu lat. arāre, pflügen) absolut oder unbedingt gebraucht wird, so bezeichnet es einen, der sich das, was notwendig zum Leben gehört, nicht selbst verschaffen kann, es also von der Barmherzigkeit seiner Nebenmenschen erwarten und erbitten muß. So sagt man, daß für die Armen gesammelt wird, daß es in einem wohleingerichteten Staate Armenanstalten geben, und daß ein jedes Kirchspiel für seine Armen sorgen müsse. „Arm am Beutel, krank am Herzen | schleppt’ ich meine langen Tage“ (Goethe, Der Schatzgräber). Die ursprüngliche Bedeutung von arm, d. i. „beklagenswert, unglücklich“ lebt noch in Wendungen wie armes Kind, arme Seele, armer Sünder, armer Teufel u. a. fort. Ärmlich ist der, dessen äußere Erscheinung den Zustand der Armut verrät, bedürftig aber der, dem zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung eines Mangels fremde Unterstützung not tut. „Sie (die deutschen Autoren) verglichen ihren eignen sehr mäßigen, wo nicht ärmlichen Zustand mit dem Reichtum der angesehenen Buchhändler“ (Goethe, Dicht. u. Wahrh. III, 12). Neben ärmlich ist auch das Adjektivum armselig (von mhd. das armsal, d. i. Elend) in Gebrauch, das einen sehr hohen Grad der Ärmlichkeit ausdrückt. (S. d. folgenden Art.)