31. Ablassen¹⁾. Abtreten²⁾. Überlassen³⁾.
Überlassen zeigt im allgemeinen an, daß man etwas in den Besitz oder in die Gewalt eines anderen übergehen lasse, sei es freiwillig oder gezwungen, käuflich oder unentgeltlich usw. Zu dem Abtreten gehört eine ausdrückliche Erklärung, sowie eine Bestimmung der Person, für die man einer Sache oder einem Rechte entsagt. Jacob II., König von England, überließ durch seine Flucht den englischen Thron dem ersten besten, der sich desselben bemächtigen wollte. Victor Amadeus trat seine Krone durch eine feierliche Akte seinem Sohne ab. Da abtreten eigentlich heißt: von einem Besitztum zurücktreten (so daß gleichsam das Besitztum an seiner Stelle bleibt und der Besitzer weichen muß), so wird dieser Ausdruck meistens bei wichtigen Besitztümern angewendet; ablassen (eig. der Besitzer bleibt, und das Besitztum wandert weiter) wird von geringfügigen Dingen gebraucht. Abtreten ist ein feierlicher, förmlicher, oft gerichtlicher Akt, ablassen sagt man nur im gewöhnlichen Handel und Wandel; daher ist abtreten der gewähltere Ausdruck. Man sagt: Die Krone abtreten, nicht ablassen; denn die Krone ist kein verkäufliches Ding. Man kann als sinnverwandt hierzu auch noch die Ausdrücke übergeben, ausliefern, preisgeben heranziehen. Während überlassen, ablassen und abtreten nur anzeigen, daß etwas in den Besitz oder in die Gewalt eines andern übergeht, ohne daß wir es ihm selbst darbieten, heben übergeben, ausliefern und preisgeben hervor, daß man den Gegenstand dem andern zum Empfange darreicht, mag er nun als ein Geschenk, oder als etwas, das einer ausbedungenen Pflicht entspricht, oder als etwas, das gekauft oder verkauft worden ist, oder als etwas, das weiterbesorgt werden soll usw., hingegeben werden. Übergeben ist von den letzten dreien der allgemeinste Ausdruck wie überlassen von den ersten dreien und will sagen, daß man überhaupt etwas dem andern darreicht, damit dieser es vorübergehend oder dauernd in seinen Besitz oder seine Gewalt nimmt, z. B. Ich übergebe Ihnen diese Akten, dieses Geld, diese Bücher, diese Zeugnisse, diese Schriften usw. zur Aufbewahrung; ich habe diese Angelegenheit dem Gerichte übergeben; ich übergebe Ihnen diesen Knaben, damit Sie ihn zu einem tüchtigen Handwerker ausbilden usw. Erst in einem engeren Sinne bezeichnet übergeben das Hingeben in eine feindliche Gewalt, z. B. Die Festung wurde dem Feinde übergeben. Ausliefern und preisgeben werden nur in dem letzteren Sinne verwendet, und zwar wird ausliefern jeder feindliehen Gewalt gegenüber gebraucht, während preisgeben nur einer solchen Gewalt gegenüber gesagt wird, die Schaden stiftet. Man sagt: einen Verbrecher dem Gerichte ausliefern, aber nicht preisgeben. Das Gericht ist zwar eine dem Verbrecher feindliche Gewalt, aber doch nicht eine Gewalt, die Schaden, sondern die Segen stiftet. Ferner bezeichnet ausliefern gewöhnlich ein amtliches Vorgehen, z. B. einen Gefangenen ausliefern, einen in einen fremden Staat entflohenen Verbrecher ausliefern usw., preisgeben steht niemals in diesem Sinne. Man sagt: jemand dem Verderben, sich dem Laster preisgeben usw. Preisgeben kommt her von franz. prise, mittellat. und ital. presa, zusammengez. aus lat. prehensa, von lat. prehendere, fangen, ergreifen, so daß hier also Preis das Ergriffene, die Beute bedeutet, und demnach preisgeben heißt: als Beute hingeben, z. B. sich der Kugel des Gegners preisgeben, jemand der Not preisgeben usw.