93. Anklagen¹⁾. Beschuldigen²⁾.
Wenn man jemand aus dem, was er getan oder zu tun unterlassen hat, einen Vorwurf oder ein Verbrechen macht und deshalb bei der Obrigkeit den Antrag stellt, daß er dafür Genugtuung leiste oder gestraft werde, so klagt man ihn an; geschieht es außergerichtlich und ohne diese Absicht, so beschuldigt (d. h. ihm die Schuld beimessen, Gegens. entschuldigen) man ihn. Man beschuldigt oft einen Mächtigen eines Verbrechens, ohne daß man sich getraut, ihn anzuklagen. Man kann jemand beschuldigen, ohne daß man ihn anklagen kann, weil er keinen Richter über sich hat. Wird anklagen (Gegens. verteidigen) auf außergerichtliche Verhältnisse übertragen, so ist es nachdrücklicher als beschuldigen; man fordert dann andere auf, sich zu entscheiden, entweder der Anklage beizutreten oder den Angeklagten in Schutz zu nehmen (z. B. einen Künstler öffentlich anklagen, daß er den Verfall der Sitten herbeiführe; dann wird gleichsam die Öffentlichkeit zum Tribunal gemacht). Der juristische Sprachgebrauch unterscheidet scharf:1) den Angeklagten (bei öffentlicher Klage);2) den Beschuldigten (bei Privatklage);3) den Beklagten (bei Zivilklage). Bezichtigen ist alter und daher jetzt gewählt klingender Ausdruck für das allgemeinere Beschuldigen; es ist abgeleitet von mittelhochd. ziht, d. i. Beschuldigung, das auf zîhen, d. i. zeihen zurückgeht.