135. Anzeigen¹⁾. Entdecken²⁾. Eröffnen³⁾. Bekannt machen⁴⁾. Offenbaren⁵⁾.
Verraten⁶⁾.
Anzeigen, eröffnen, bekannt machen geschieht mit Vorsatz, entdecken, offenbaren, verraten kann auch ohne Vorsatz geschehen. Anzeigen heißt etwas zur Kenntnis derjenigen bringen, die zu der betreffenden Tatsache in enger Beziehung stehen und daher ein gewisses Recht haben, sie zu erfahren, z. B. der Obrigkeit ein Vergehen, der gelehrten Welt ein Buch, Freunden und Verwandten ein Familienereignis anzeigen usw. Bekannt machen heißt, eine Sache zur allgemeinen Kenntnis bringen, z. B. ein Urteil, eine Verordnung usw. bekannt machen. Eröffnen (eig. jemand etwas Verschlossenes auftun) wird gewöhnlich (weil man nur dem Verschlossenes öffnet, dem man vertraut) dann gesetzt, wenn man ein Anliegen, eine Meinung oder Gesinnung jemand mitteilt, zu dem man Zutrauen hat. Der König eröffnet dem Parlamente, was er zu tun gesonnen ist, in dem Vertrauen, daß es ihn unterstützen werde. „Endlich, da ich in alles einging, hielt er nicht länger zurück, mir sein ganzes Geheimnis zu eröffnen“ (Goethe, Wanderjahre III, 13). Entdecken (eig. von etwas Verborgenem die Decke wegnehmen, unbedeckt machen, Gegens. eig.: verdecken, bedecken) weist darauf hin, daß etwas Geheimes, in Dunkel und Schweigen Gehülltes Unbeteiligten kund gegeben wird, z. B. seine Herkunft, eine Verschwörung, einen Betrug entdecken. „Ich bin entdeckt, ich bin durchschaut“ (Schiller, Mar. Stuart IV,4). „Die schändlichste Verschwörung ist entdeckt“ (ebenda). Offenbaren sagt mehr als eröffnen; es deutet an, daß die innersten, tiefsten Geheimnisse mitgeteilt werden; zu der Kenntnis dessen, was eröffnet wird, könnte man auch auf anderm Wege kommen, aber zu der Kenntnis dessen, was offenbart wird, kann man nur durch die Mitteilung der betreffenden Person gelangen, z. B. sein ganzes Herz, seine geheimsten Pläne, seine innersten Gedanken usw. offenbaren. „Freunde offenbaren einander gerade das am deutlichsten, was sie einander verschweigen“ (Goethe, Wanderj. III, 13). Verraten wird nur in böser Bedeutung gebraucht, sei es, daß es aus Unbedachtsamkeit oder aus Böswilligkeit geschieht: es zeigt eine Entdeckung solcher Dinge an, die man billig hätte verschweigen sollen und durch deren Entdeckung man einem andern schadet, z. B. ein Geheimnis, einen Plan usw. verraten. Neben bekannt machen gebraucht man auch noch den Ausdruck bekannt geben, neben entdecken auch noch enthüllen. Bekannt geben hat man ursprünglich nur angewendet, um das Wort machen, das von vielen angefeindet wird, weil es in der Tat auch sonst wohl allzu häufig gebraucht wird, durch ein besseres zu ersetzen. Doch ist machen, in der Verbindung bekannt machen, wie in vielen andern, keineswegs zu tadeln, sondern ist der natürliche und übliche Ausdruck. Allmählich hat sich nun aber auch ein Begriffsunterschied zwischen bekannt geben und bekannt machen herausgebildet, indem bekannt machen auch ausdrückt, daß etwas angeordnet wird, während bekannt geben diese Bedeutung nicht haben kann, sondern nur angibt, daß etwas, das bisher geheim gehalten wurde oder nur in einem engeren Kreise bekannt war, nun veröffentlicht und zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird. Eine Bekanntmachung ist gewöhnlich eine obrigkeitliche Verordnung, eine Bekanntgabe dagegen nur irgend eine Veröffentlichung. Beispiele: der Rat der Stadt macht bekannt, daß von heute an die Hundesperre aufgehoben ist; der Rat der Stadt gibt den Inhalt der geheimen Sitzung nachträglich bekannt. Professor Röntgen hat sein Verfahren, die X-Strahlen herzustellen und sie auf die photographische Platte einwirken zu lassen, erst nach langer, sorgfältiger Prüfung bekannt gegeben. Bekannt machen sagt man daher vorwiegend vom Amtsstil, bekannt geben bei privaten Veröffentlichungen. Bekannt machen steht auch reflexiv, bekannt geben nicht. Sich mit etwas bekannt machen heißt: sich die Kenntnis von etwas aneignen, z. B.: Ich habe mich mit den Röntgenschen X-Strahlen bekannt gemacht. Enthüllt wird eigentlich das, was mit einer Hülle bedeckt oder in eine Hülle eingeschlossen war, z. B. das Denkmal wurde enthüllt, d. h. die Hülle fiel, es wurde seiner Hülle entkleidet. In der älteren neuhochdeutschen Sprache bedeutet es auch: aus der Hülle nehmen. So sagt z. B. Voß in der Luise I, 343: „Sie enthüllt aus dem Deckelkorbe die Tassen.“ In übertragener Bedeutung weist es gleichfalls auf das Bekanntwerden dessen hin, was sich bisher wie hinter einer Hülle verbarg, z. B. ein Geheimnis enthüllen, die Zukunft enthüllen, seinen wahren Charakter (der sich hinter einer erheuchelten Freundlichkeit, Biederkeit, Zurückhaltung usw. bisher verbarg) enthüllen. Enthüllen weist also immer auf einen größeren Grad der Verborgenheit hin, der dem Bekanntgeben voraufgeht, als eröffnen und offenbaren, und schließt alle böse Absicht, wie sie durch verraten ausgedrückt wird, vollkommen aus. Entdecken gebraucht man nur bei größeren Angelegenheiten (s. oben), während enthüllen sich vorwiegend auf kleine Angelegenheiten des Lebens bezieht.