62. Affekt¹⁾. Gemütsbewegung²⁾. Leidenschaft³⁾. Temperament⁴⁾.
sangue caldo, temperamentvoll).
Alle drei Ausdrücke bezeichnen Vorgänge im Gemüt; unter Gemüt versteht man gewöhnlich das Fühlen und Wollen der Seele gegenüber der bloßen Verstandestätigkeit. Gemütsbewegung ist der allgemeinste Ausdruck und bezieht sich sowohl auf das Fühlen, wie auf das Wollen. Affekte sind Gemütsbewegungen, die sich bloß auf das Gefühl beziehen, Leidenschaften solche, die auch den Willen mit ergreifen. „Affekten sind von Leidenschaften spezifisch unterschieden; jene beziehen sich bloß aufs Gefühl, diese gehören dem Begehrungsvermögen an“ (Kant, Krit. d. Urt. 119). Affekte sind heftige Gemütsbewegungen, die plötzlich entstehen und bald wieder verschwinden, z. B. Zorn, Staunen, Freude, Scham usw. Leidenschaften sind heftige und andauernde Gemütsbewegungen, z. B. Eifersucht, Liebe, Haß, Ehrgeiz, Herrschsucht usw. „Die Leidenschaften sind Mängel oder Tugenden, nur gesteigerte“ (Goethe, Spr. i. Pr. 422). Da Affekt und Leidenschaft stärkere Gemütserregungen andeuten, so wird Gemütsbewegung oft gebraucht, um die gelinderen zu bezeichnen, z. B. Mitleid, Wehmut usw. Das Fremdwort Affekt (v. afficiere, antun) eignet sich wenig für die Dichter und wird von diesen daher gewöhnlich durch ein deutsches Wort ersetzt, oft geradezu durch Gemütsbewegung oder Erregung, Aufregung des Gemüts, Sturm des Gefühls usw. Passion ist das Fremdwort für Leidenschaft, ja das Wort Leidenschaft wurde geradezu im 18. Jahrhundert als Übersetzung von franz. passion geschaffen; doch ist das Fremdwort niedriger vom Klange und bezeichnet nicht eine tiefe und nachhaltige Erregung des Gemüts, sondern mehr eine zur Gewohnheit gewordene Neigung. Und während eine Leidenschaft sich auf große und erhabene Gegenstände beziehen kann, handelt es sich bei einer Passion mehr um Dinge des alltäglichen Lebens, die das Gemüt nicht allzutief in Aufruhr bringen. Neigung zu Jagd, Spiel, Pferden, zu Luxus aller Art nennt man noble Passionen, aber nicht edle Leidenschaften. Man spricht von einem leidenschaftlichen, niemals aber von einem passionierten Liebhaber, wohl aber von einem passionierten Raucher, Spieler usw. Eine wieder verschwindende Erregung des Gemüts nennt man eine Herzenswallung, eine plötzliche und tiefgehende bezeichnet man als Gemütserschütterung. Man spricht daher von vorübergehenden leichten, oberflächlichen, nicht tiefgehenden Herzenswallungen, aber von beängstigenden, unheilvollen, schweren Gemütserschütterungen. Temperament (lat. temperamentum, die natürliche Gemütsart, später schlechthin: das lebhafte frohmütige Temperament) bezeichnet die natürliche Anlage eines Menschen zum leidenschaftlichen Empfinden, z. B. dieser Künstler hat viel Temperament, ein temperamentvoller Charakter usw.