63. Ahnden¹⁾. Strafen²⁾. Rächen³⁾.
Ahnden (mhd. anden, ahd. antôn, anadôn, vom ahd. anto, anado, mhd. ande, d. i. Kränkung, erbittertes Gefühl darüber, Eifer, Zorn, Unwille) zeigt zugleich tiefgehende Empfindung des geschehenen Unrechts, sowie Unwillen gegen den Übeltäter an, und dadurch unterscheidet es sich von strafen. Der Ahndende straft ein Unrecht, indem er gedrängt wird von seinem verletzten sittlichen Gefühl oder auch von gekränktem Selbstgefühl. Es wird also auch nur von größeren Vergehen und härteren Strafen gebraucht; ein Frevel, ein Schimpf usw. wird geahndet. „Dem Unschuldigen Befreiung und Ersatz, dem Verführten Mitleiden, dem Schuldigen ahndende Gerechtigkeit!“ (Goethe, Wanderj. I,4). Daher kann man es auch nicht von den natürlichen Strafen, nicht von den gelinden Züchtigungen gebrauchen, noch weniger von Strafen, die nur in verdeckten Vorwürfen, oder gar in liebreichen Beschämungen bestehen. Man kann sagen: Unmäßigkeit wird durch Krankheit gestraft; eine Mutter bestraft die Unarten ihres Kindes; Christus bestrafte die Untreue Petri durch einen sanften, verweisenden Blick. In allen diesen Fällen kann ahnden nicht gebraucht werden. Rächen (mhd. rëchen, ahd. rëhhan, d. i. jemand Genugtuung verschaffen; Grundbedeutung: verfolgen) sagt man, wenn eine empfangene Beleidigung oder Rechtsverletzung mit Leidenschaft wieder vergolten oder bestraft wird. „Ich will mich wieder rächen an meinen Feinden, und denen, die mich hassen, vergelten“ (5. Mose 32, 41).