71. Alt¹⁾. Bejahrt²⁾. Betagt³⁾. Abgelebt⁴⁾.
Bejahrt (eig. zu Jahren gekommen) und betagt (eig. zu seinen oder zu hohen Tagen gekommen) wird bloß von Menschen, alt (v. got. alan, aufwachsen, nähren, eig. aufgewachsen, dann das, was lange genährt worden und hoch aufgewachsen ist; vgl. lat. altus zu dem lat. Verb, alo) auch von andern Dingen gesagt. Man sagt: ein alter Mann, ein altes Pferd, ein alter Baum, ein alles Haus; aber nicht ein bejahrtes oder betagtes Pferd, ein bejahrter, betagter Baum usw. Alt kann als nähere Bestimmung zu jedem Zeitbegriff treten und jedes Lebensalter bezeichnen, z. B. Das Kind ist drei Wochen alt; der Knabe ist zehn Jahre alt. Bejahrt und betagt können nur ein hohes Alter bezeichnen. Bejahrt und betagt wird nur als Gegens. zu jung, alt außerdem noch als Gegensatz zu neu gebraucht. Bejahrt drückt ein geringeres Alter aus als betagt; das erklärt sich aus der sinnlichen Bedeutung der Wörter: bejahrt heißt nur in den Jahren vorgeschritten, betagt aber ist einer, auf den gleichsam der letzte Tag (der Todestag) schon seinen Schein wirft (denn betagen = Tag werden, als oder wie der Tag auf etwas scheinen). So heißt es noch bei Goethe: „Wollte Gott euch mehr betagen (d. i. mit Tageslicht beschenken), glänztet ihr wie ich so helle.“ Weigand erklärt es: „in Tagen gezählt erscheint das Alter scheinbar weit höher, als in Jahren ausgedrückt“. Die Zusammensetzungen hoch-, wohlbetagt können nur erst dann entstanden sein, als die sinnliche Grundlage des Wortes bereits verdunkelt war, und sie sind eigentlich schwächer, als das alte betagt, werden aber von jeher so gebraucht, daß sie beide einen höheren Grad des Alters ausdrücken als betagt; von beiden bezeichnet wieder hochbetagt den höchsten Grad. Wird bejahrt und betagt von Dingen gesagt, so werden diese dichterisch als Personen gedacht. Abgelebt (eig. zu Ende gelebt) ist überhaupt einer, dessen Lebenskraft versiegt ist, er mag jung oder alt sein: es ist ein wenig edler Ausdruck. In der bekannten Fabel Lichtwers (Lichtwers Schriften, Halberstadt 1828, Fab. I, 21): „Tier und Menschen schliefen feste“ heißt es: „Und zwei abgelebte Kater quälten sich ihm beizustehn."