160. Aufgeblasen¹⁾. Eingebildet²⁾. Dünkelhaft³⁾. Stolz⁴⁾. Hochmütig⁵⁾. Hoffärtig⁶⁾.
Stolz (eig. stattlich) wird sowohl in günstiger, wie in ungünstiger Bedeutung gebraucht, die übrigen Ausdrücke sind nur tadelnd. Der Stolze hat wahre Vorzüge, gründet er darauf eine Selbstschätzung, die mit seinen Ansprüchen auf eine angemessene Achtung bei andern im Verhältnisse steht, so besitzt er einen gerechten Stolz. Diese Selbstschätzung und die darauf gegründeten Ansprüche können aber auch übertrieben sein, dann ist es ein falscher Stolz. „Sie kömmt — sie kömmt, des Mittags stolze Flotte.“ Schiller, Die unüberwindl. Flotte. Wer einen solchen Stolz auch durch äußere Handlungen und Gebärden ausdrückt, der ist aufgeblasen (eig. einer, der durch Aufblasen um viel größer zu werden meint, wie der Frosch in der Fabel), so spricht Lessing (I, 77) von „aufgeblasnen Federsiegern“. Der Eingebildete (eig. der sich eine Vorstellung von etwas macht, dann der sich eine falsche, trügerische Vorstellung macht) ist stolz auf Vorzüge, die er gar nicht hat, denen er aber fälschlich hohen Wert beilegt. Da sich der Eingebildete von falschen Vorstellungen beherrschen läßt, so legt man ihm gewöhnlich Schwäche der Urteilskraft bei, z. B. ein eingebildeter Dummkopf, Narr usw. „Das ist eine Närrin, die sich auf das bißchen Adel und auf den Ruf ihres Landes Wunderstreiche einbildet.“ Goethe, Werther II, 24. Dez. 1771. Der Dünkelhafte (von dünken in der Bedeutung fälschlich meinen) übersehätzt seinen Wert im Verhältnis zu anderen Personen und begegnet diesen mit eitler Anmaßung. „Mag jener dünkelhafte Mann | mich als gefährlich preisen.“ Goethe, Dicht. u. Wahrh. III, 13. Der Hochmütige (Gegens. demütig) vergleicht sich mit andern und verbindet mit der übertriebenen Schätzung seiner selbst die Geringschätzung und Verachtung anderer. Dünkel und Hochmut sind daher nicht, wie der falsche Stolz, die Aufgeblasenheit, die Einbildung Fehler, durch die der Mensch bloß lächerlich wird, sie sind eine Beleidigung der Gesellschaft und Laster, durch die man sich verhaßt macht. Der Hoffärtige (aus Hochfahrt) sucht Ansehen bei den Menschen durch Aufwand, Pracht und Gepränge zu erlangen und sich dadurch über seinen Stand zu erheben. Unter den Großen ist also mehr Stolz, als Hoffart, und unter den Geringen mehr Hoffart, als Stolz. „Wer sich gesellet zum Hoffärtigen, der lernet Hoffart.“ Sir. 13, 1. Auch die Wörter eitel, selbstgefällig, geckenhaft, selbstüberhebend, selbstbewundernd, selbstvergötternd gehören hierher. Über eitel s. Art. 443. Selbstgefällig ist der, welcher Gefallen an sich selbst findet und das auch kundgibt. Die Vorzüge, derentwegen er Gefallen an sich selbst findet, beruhen jedoch nicht auf Einbildung, sondern sind wirklich vorhanden. Selbstgefälligkeit wirkt also auf uns abstoßend wie Eigenlob, nur daß sich das Eigenlob in Worten, die Selbstgefälligkeit in Mienen und Gebärden äußert Der Selbstgefällige ist also noch nicht aufgeblasen oder dünkelhaft, sondern er bleibt auf dem Boden des Tatsächlichen, aber ihm fehlt die nötige Bescheidenheit und Selbsterkenntnis. Denn die wahre Selbsterkenntnis sieht nicht nur die eigenen Vorzüge, sondern vor allem auch die Fehler und führt dadurch zur Demut. Selbstgefälligkeit entspringt also aus dem Mangel an Selbsterkenntnis und ist die erste Stufe, die zum Hochmut führt. Man spricht von selbstgefälligen Mienen, von einer selbstgefälligen Art, sich zu bewegen, sich zu kleiden, zu sprechen usw. Das Selbstgefällige steigert sich zum Geckenhaften, wenn jemand in seinem ganzen Auftreten, in Kleidung, Haltung, Sprache den Eindruck eines eingebildeten Narren macht. Der Geck ist eigentlich der Faschingsnarr, über den alle lachen. Daher schließt das Geckenhafte stets das Lächerliche mit ein. Von dem Selbstgefälligen unterscheidet sich der Geckenhafte dadurch, daß er gewöhnlich nur auf eingebildete Vorzüge stolz ist. Man wendet das Wort daher besonders an, wenn ein im höheren Alter stehender Mann sich noch ganz jugendlich kleidet und bewegt und überhaupt um jeden Preis den Eindruck eines jungen Mannes hervorzurufen bestrebt ist, meist zu dem Zwecke, auf junge Mädchen Eindruck zu machen, z. B. ein alter verliebter Geck usw. So schreibt Lessing in der Hamburgischen Dramaturgie im 5. Stück bei der Besprechung des Lustspiels: Der Triumph der vergangenen Zeit: „Der Sieg der Zeit über Schönheit und Jugend macht eine traurige Idee; die Einbildung eines sechzigjährigen Geck und einer ebenso alten Närrin, daß die Zeit nur über ihre Reize keine Gewalt sollte gehabt haben, ist zwar lächerlich; aber diesen Geck und diese Närrin selbst zu sehen, ist ekelhafter als lächerlich.“ Davon hat man das Geckenhafte auch auf junge Leute übertragen, wenn diese durch auffallende Kleidung, Sprache und Gebärden um jeden Preis die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken suchen, dadurch aber der Lächerlichkeit anheimfallen. Auch hier spricht man hauptsächlich von geckenhaft geputzten jungen Männern. Selbstüberhebung zeigt der, welcher mehr aus sich macht, als er ist, und sich gesellschaftlich oder geistig höher Stehenden gleichstellt oder auch noch über diese erhebt. Als Selbstüberhebung bezeichnet man es daher, wenn jemand geistig oder gesellschaftlich höher Stehende kritisiert, tadelt usw. oder sich an Aufgaben wagt, denen er nicht gewachsen ist, oder sich einen gesellschaftlichen oder geistigen Rang zuteilt, der ihm nicht zukommt. Zum Krankhaften gesteigerte Formen der Selbstgefälligkeit sind die Selbstbewunderung, der höchste Grad der Eitelkeit, und die Selbstvergötterung, die z. B. bei den römischen Cäsaren der niedergehenden Zeit vorkam und sich auch sonst in der Geschichte mit dem Absolutismus häufig verbunden zeigt, also gewöhnlich aus einer besonderen Machtstellung und Machtfülle hervorgeht. Im Grunde genommen hat Nietzsche in seiner Herrenmoral die Selbstvergötterung gepredigt, die aber doch gewöhnlich auf Größenwahn, also auf geistiger Erkrankung, beruht.