100. Anlassen (übel, hart)¹⁾. Anfahren²⁾.
Beide Zeitwörter bedeuten, daß jemand mit Worten übel begegnet werde. Übel oder hart anlassen (s. d. eig. Bed. im vor. Artikel, hier: Vorwürfe gegen jemand ungehindert sich bewegen lassen) zeigt einen geringeren Grad von Ungestüm an, als anfahren. In dem lassen liegt mehr Ruhe angedeutet, als in dem fahren; daher ist anlassen auch der gewähltere Ausdruck und wird namentlich gebraucht, wenn ein Höhergestellter einem Niedrigeren, ein Vorgesetzter einem Untergebenen usw. heftige Vorwürfe macht, kurz überall da, wo angedeutet werden soll, daß trotz der Heftigkeit die äußere vornehme Ruhe bewahrt wird. Anfahren (von fahren, das ursprünglich zwar mit gehen gleichbedeutend, doch auch gern zur Bezeichnung einer rascheren und hastigeren Bewegung verwandt wurde) sagt man dann, wenn dem Zorn und der Hitze keinerlei Zügel angelegt werden und der Gegenstand des Zornes mit vollem Ungestüm getroffen wird. Das Wort bezeichnet einen Naturausbruch der Gefühle und ist deshalb nicht so edel wie anlassen. „Doch Gutmann sprang so heftig auf | und fuhr sie drohend an“ (Goethe, Gutmann u. Gutweib).