30. Abhören¹⁾. Verhören²⁾.
Abhören (eig. bis zu Ende hören) sagt man da, wo es sich um das Vernehmen irgend einer Aussage handelt, z. B. ein Zeuge wird abgehört, die Mutter hört ihrem Kinde das Gedicht ab (= überhören). Verhören deutet gewöhnlich an, daß der Vernehmende durch Fragen den, der verhört wird, zu bestimmten, wichtigen Aussagen zu bringen sucht, z. B. der Angeklagte wird verhört. „Wo nichts heraus zu verhören ist, da verhört man hinein“ (Goethe, Egmont IV). Verhören wird gegenwärtig vorwiegend in der Gerichtssprache gebraucht. Überhören hebt hervor, daß man durch völliges Anhören prüft, ob jemand etwas, was er zu lernen hat, sich vollständig angeeignet hat, z. B. einen überhören, einem oder einen seine Lektion überhören, einem oder einen ein Gedicht überhören usw. „Der Herr überhört die Kinder ein auswendig gelerntes artiges Gedicht“ (Goethe, Wanderjahre 3, 10). Überhören in dieser Bedeutung darf nicht mit überhören in der Bedeutung beim Zuhören nicht bemerken verwechselt werden, z. B. Wir hatten dir doch gesagt, daß wir heute kommen wollten. „Ich hatte das ganz überhört.“ Ihm entgeht keine Silbe, er überhört nichts.