12. Aberwitzig¹⁾. Wahnwitzig²⁾.
Witz (von wissen) bedeutet ursprünglich Einsicht, Verstand. Aberwitz (mhd. aberwitz, aberwitze) ist wie Aberglaube, Abergunst (Mißgunst), Abername (Spottname), sowie das mhd. aberlist (Unklugheit), Aberwandel u. a. mit einem Worte aber zusammengesetzt, das soviel wie „verkehrt“ bedeutet. Witz steht in dem Worte noch in dem alten Sinne: Verstand (mhd. witze, Verstand). Demnach bedeutet Aberwitz einen verkehrten Verstand. Aberwitz ist nicht von ober—, Oberwitz abgeleitet, auch die Meinung, daß Aberglaube auf Oberglaube, niederländ. overgeloof, zurückgehe, ist nicht richtig. (Goethe leitet in dem Xenion „Aberwitz und Wahnwitz“ das erstere Wort volksetymologisch von Ober- [= sich überspringender] witz ab. Hermann Paul führt in seinem Deutschen Wörterbuche Aberglaube und Aberwitz auf das Adverbium aber zurück, die beide schwerlich ganz anderen Ursprungs seien. Beide Ausdrücke sind übrigens erst spätmhd.)
Aberwitzig ist der, welcher töricht spricht und handelt; wahnwitzig dagegen ist einer, dessen Geist von einem finstern Wahn beherrscht wird und der in diesem Wahne Entsetzliches wahrnimmt oder vollbringt. Der Aberwitzige wird belacht oder bemitleidet, der Wahnwitzige gefürchtet und geflohen. Durch religiösen Fanatismus wahnwitzig gewordene Menschen nur konnten z. B. die Inquisition und die Hexenprozesse veranlassen. Im Anschluß an Aberwitz gebrauchen Gotter und Platen aberklug (d. i. wahnklug) und Goethe aberweise (hier wohl in Anlehnung an afterweise), z. B. aberweises Jahrhundert (in Götter, Helden und Wieland).